Promovieren – Soll ich oder soll ich nicht?

Nur, weil man promovieren kann, heißt es nicht, dass man promovieren sollte. Toll, wenn einem die Masterarbeitsbetreuerin Mut macht, weiterzumachen („Sie haben auf jeden Fall das Zeug dazu!“) oder wenn einem sogar eine Stelle an dem Lehrstuhl angeboten wird, an dem man als studentische Hilfskraft gearbeitet hat. Das ist ein großes Kompliment!

Aber es sagt wenig darüber aus, ob die Promotion der richtige Weg für einen selbst ist. Eine Entscheidung für eine Promotion ist eine Entscheidung, die Weichen für den Beruf und für das Privatleben stellt. Es ist eine Entscheidung mit unmittelbaren Konsequenzen für die nächsten drei bis fünf Jahre. Sie beeinflusst wo und wie man lebt, wie viel Geld man zur Verfügung hat und was einem nachts den Schlaf raubt. Es ist definitiv keine Entscheidung, in die man einfach so hineinrutschen sollte, weil sie sich halt anbietet.

Wir haben sechs Fragen gesammelt, die uns geholfen haben oder geholfen hätten, uns für (oder gegen) eine Promotion zu entscheiden: Dinge, die wir wussten und solche, die wir gerne gewusst hätten.

Möchtest du dein Thema heiraten?

Du wirst mit deinem Diss-Thema die nächsten drei bis fünf Jahre deines Lebens verbringen! Daher ist die Frage, ob dir dein Diss-Thema unter den Nägeln brennt, ob es dich einfach nicht loslässt, das mit Abstand wichtigste Kriterium für oder gegen eine Promotion. Leuchten deine Augen, wenn du Freunden von dem Thema erzählst? Okay, das ist vielleicht übertrieben, aber: Wenn du darauf angesprochen wirst, kannst du dann so lange über das Thema reden, bis du dir Sorgen machst, ob dein Gegenüber das Interesse verloren hat? Kannst du dir vorstellen, dass auch nach zwei Jahren täglicher Arbeit daran immer noch Spaß an dem Thema hast? (Wenn du schon nach einer Woche einlesen gelangweilt bist, dann such dir ein anderes Thema oder lass es bleiben!).

In den Naturwissenschaften bekommst du in der Regel dein Thema gestellt. Mit der Entscheidung für eine Arbeitsgruppe entscheidest du dich also auch für ein Themengebiet und/oder eine Methodik oder Technik (zum Beispiel MRT Bildgebung, Fluoreszenzmikroskopie, Zellkultur…) Hier solltest du dich fragen: Lernst du gerne? Und kommst du damit klar, Dinge nicht zu können, zu wissen oder zu verstehen? In der Wissenschaft gibt es nicht unbedingt klare Antworten. Vielleicht stehst du nach Monaten an Recherche und Experimenten da und bist nur auf höherem Niveau verwirrt.

Wie kommst du mit Einsamkeit klar?

Promovieren kann einsam sein! Die Universitätsbibliothek der University of Washington in Seattle (Foto: privat)

In den Geisteswissenschaften zu promovieren bedeutet oft genug ein Einzelkämpferdasein – sowohl physisch als auch inhaltlich. Physisch verbringst du jeden Tag der Woche den Großteil des Tages allein mit deinem Computer an irgendeinem Schreibtisch. Besonders hart trifft dieser Faktor alle, die ohne feste Anbindung an einen Lehrstuhl mit einem Stipendium promovieren. Kannst du damit umgehen? Genießt es vielleicht sogar, dich ungestört voll in ein Thema zu versenken? Oder bist du ein Teamwork-Mensch, der nach einer Stunde ohne kurze Kaffeepause mit den Kollegen völlig durchdreht? Fast noch schwerer zu schaffen macht oft aber die inhaltliche Einsamkeit. Niemand hat auch nur annähernd so viel Ahnung von deinem Thema wie du. Das heißt aber auch, dass du häufig mit deinen Fragen alleine dastehst und Entscheidungen (was nehme ich rein, was lasse ich raus? Wo setzte ich Schwerpunkte?…) allein treffen und verantworten musst. Auch Schwierigkeiten, die auftauchen, musst du letztendlich allein meistern. Klar, du hast eine/n Betreuer/in, aber auch dein Doktorvater oder deine Doktormutter ist einfach nicht so in deinem Thema drin wie du – und oft ist auch ihre Zeit begrenzt.

Wenn du eher nicht der Einzelkämpfertyp bist, achte darauf, dir einen Rahmen zu schaffen, der dir soziale und inhaltliche Interaktion ermöglicht. Hast du eine Gruppe von Freunden, mit denen du gemeinsam in die Bibliothek gehen kannst? Super! Verabrede dich zum Mittagessen! Mache ohne schlechtes Gewissen jeden Tag eine Kaffeepause! Sieh es als Investition in deine psychische Gesundheit.

In den Naturwissenschaften sieht das Ganze meistens zum Glück etwas anders aus. Hier solltest du dich eher fragen: Kommst du mit der Arbeitsgruppe gut zurecht, in der du promovieren willst? Was hältst du von der Arbeit, die bislang in der Arbeitsgruppe passiert ist? Habt ihr ähnliche Vorstellungen davon, wie ihr arbeiten wollt? Kommst du menschlich gut mit deinen Kolleg/innen klar? Immerhin wirst du sehr viel Zeit mit ihnen verbringen! Insbesondere bei experimentellen Arbeiten kannst du deine Zeit weniger frei einteilen als in den Geisteswissenschaften. Es kann sein, dass du Montag bis Freitag den ganzen Tag im Labor stehst – so wie deine Kollegen auch. Oder das Gerät, das du brauchst, ist so stark beansprucht, dass du regelmäßig nur spätabends oder am Wochenende daran arbeiten kannst. Wenn es irgendwie geht, mach ein kurzes Praktikum (ein Tag ist schon hilfreich) bevor du dich für eine Arbeitsgruppe entscheidest. Achte auf die Atmosphäre im Labor – ist da Spaß oder Panik?

Kannst du dich selbst organisieren?

Noch ein wichtiger Faktor, der eng mit dem Einzelkämpferdasein einhergeht: Als Doktorand/in musst du deinen Tag, deine Woche, dein Jahr fast gänzlich eigenverantwortlich organisieren. Klar, Konferenzen und Lehre geben einen groben Rahmen vor – aber der lässt immer noch viel Spielraum. Zum Glück schreibst du ja mit deiner Doktorarbeit nicht deine erste wissenschaftliche Arbeit: Wie ist es dir während deiner BA- und deiner MA-Arbeit ergangen? Ist es dir leicht gefallen, dir einen Plan zu machen, was du bis wann erledigt haben willst? Bist du ein Mensch für To-Do-Listen? Kannst du das große Ganze auf kleine Schritte herunterbrechen? Fällt es dir leicht, Aufgaben zu priorisieren? Kannst du Nein sagen? Wie leicht lässt du dich ablenken?

Viel davon, was du für eine gute Selbstorganisation brauchst, kann man natürlich lernen. – und viel davon wirst du im Laufe deiner Promotion lernen. Oft bieten Unis über den Career Service oder die wissenschaftliche Nachwuchsförderung auch super Seminare zu den Themen an. Aber wenn du von vornherein weißt, dass Selbstorganisation absolut nicht deine Stärke ist, dann solltest du dir das mit der Promotion zweimal überlegen.

Bist du ein Mensch für kurze Projekte oder für lange Horizonte?

Im Prinzip ist so eine Promotion ja ein auf drei bis fünf Jahre angelegtes Großprojekt. Das heißt, wenn du anfängst, liegt die „Deadline“ (die ja häufig eine sehr weiche deadline ist – wen stört es schon, wenn du ein halbes oder ein ganzes Jahr später abgibst) Jahre in der Zukunft. Bist du ein Mensch, der lieber kürzere Projekte abarbeitet und regelmäßig (also alle paar Wochen oder Monate) ein Erfolgserlebnis braucht? Oder findest du es eher unbefriedigend, immer nur kurz an einem Projekt dran zu sein und kannst es kaum erwarten, endlich einmal so richtig viel Zeit in etwas zu stecken?

Hier unterscheiden sich natürlich auch wieder die Geisteswissenschaften und die Naturwissenschaften: Wenn du kumulativ promovierst, hast du eher kürzere Projekte als wenn du eine Monographie schreibst. Aber auch dann musst du damit rechnen, dass Versuche nicht funktionieren oder sich viel länger hinziehen als gedacht, Equipment kaputt geht und neu bestellt werden muss, was mit langen Wartezeiten einhergeht oder du einfach nicht genug Versuchspersonen findest. Experimente fordern eine hohe Frustrationstoleranz! Bist du jemand, dem es leicht fällt, auf das Licht am Ende des Tunnels zu blicken (oder zu hoffen, dass es irgendwann kommt)?

Passt die Promotion in deine Lebensplanung?

Ich habe mir am Anfang meiner Promotion ehrlich gesagt überhaupt keine Gedanken dazu gemacht, wie meine Lebensplanung aussieht und ob eine Promotion da hineinpasst. Aber ein paar Fragen sollte man schon bedenken: Möchte ich in der Wissenschaft bleiben oder sehe ich meinen Weg nicht an der Uni? Und möchte ich noch fünf Jahre lang als Doktorand/in leben – mit wenig Geld, vielleicht in einer WG, ohne feste Jobperspektive?

Wenn ich schon jetzt weiß, dass die akademische Laufbahn nichts für mich ist: Lohnt es sich für mich, den Berufseinstieg um einige Jahre zu verzögern? In manchen Branchen mag das egal oder sogar hilfreich sein (wenn du Lehramt studiert hast oder Theologie zum Beispiel). In anderen – wie BWL – wirft dich die Promotion um einige Jahre zurück und du konkurrierst dann mit Anfang 30 mit jüngeren Absolvent/innen, die im Zweifel für das Unternehmen billiger sind.

In wiederum anderen Branchen – wie Chemie oder mit Abstrichen auch Physik – ist es üblich, dass du ohne Doktortitel nichts werden kannst. Und in wiederum anderen sind deine skills so gefragt, dass es ziemlich egal ist, wie alt du bist und wie viel Berufserfahrung du mitbringst!

Und noch eine Frage, die dir vielleicht zu Beginn der Promotion etwas absurd vorkommt: Kommen in deiner Lebensplanung Kinder vor? Hast du nach deiner Promotion genug Zeit, einige Jahre in den Berufseinstieg zu investieren, bevor Kinder kommen und du in Elternzeit gehst oder deine Kraft zu Hause mehr benötigt wird als im Job? Oder macht es Sinn, das Thema während der Promotion anzugehen, sodass sie aus dem Gröbsten heraus sind, wenn du in den Beruf einsteigst? (Zum Promovieren mit Kind gibt es diesen wunderbaren Blog).

Willst du nur den Titel?

Einfach nur den Titel zu wollen halten wir für die schlechteste, weil kurzatmigste Motivation für eine Promotion. Klar, die Überlegung, ob ich den Titel brauche ist wichtig (siehe oben). Aber der reine Reiz des Dr. [dein Nachname hier] reicht einfach nicht als intrinsische Motivation! Vielmehr ist der Dr. das i-Tüpfelchen, das Sahnehäubchen auf der Torte nach jahrelanger harter Arbeit – den hast du dir dann schwer verdient. Ehrlich. Aber da wirst du mindestens drei Mal geschworen haben, der Doktortitel sei die ganze Mühe nicht wert!

Habt ihr andere Fragen, die euch bewegt haben in Bezug auf eure Promotion? Was waren oder sind eure Gründe? Was steht auf eurer Pro-und Contra-Liste?

4 thoughts on “Promovieren – Soll ich oder soll ich nicht?”

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