10 Tipps gegen den Dissertation-Blues

„Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden“. Es gab immer wieder Tage (und Wochen…) während meiner Promotion, da beschrieb dieses Zitat meine Stimmungslage ziemlich treffend. Und auch jetzt, wo die Doktorarbeit abgeschlossen ist, gibt es meinen Gemütszustand ziemlich akkurat wieder. Manchmal läuft es einfach nicht. Wenn ich mich so im Bekanntenkreis umschaue, stehe ich damit nicht alleine da. Praktisch jeder Doktorand und jede Doktorandin, den ich kenne, hat sich während der Promotion mit Gedanken des Selbstzweifels, der Einsamkeit, des „Das-wird-doch-alles-nichts,“ des „Warum-tue-ich-mir-das-eigentlich-an“ herumgeschlagen. Da scheint es auch keinen großen Unterschied zu machen, in welchem Fach man promoviert. Ich nenne das den „Dissertation-Blues“.

Manchmal will man einfach im Erdboden verschwinden…

Tatsächlich belegt eine Studie der Universität Gent, die im Mai 2017 im Journal „Research Policy“ veröffentlich wurde, dass die Hälfte der befragten Doktoranden berichteten, unter psychischen Störungen („psychological distress“) zu leiden. Jeder dritte Befragte ist möglicherweise von einer psychiatrischen Erkankung („common psychiatic disorder“) betroffen.“* Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen einer klinischen Depression und dem „Dissertation-Blues“, und wer fürchtet, an einer „echten“ Depression zu leiden, der sollte sich unbedingt Hilfe holen! Oft ist die psychologische Beratungsstelle der Universität ein guter erster Anlaufpunkt. Fast jede Universität bietet kostenlose Beratungsgespräche an und vermittelt niedergelassene Therapeutinnen/Therapeuten.

Aber die Studie aus Gent zeigt: Es ist nicht ungewöhnlich, während der Promotion zumindest mit erhöhten psychischen Belastungen zu kämpfen, immer wieder „down“ zu sein und: Ich bin nicht allein damit. Wenn man etwas darüber nachdenkt, ist es ja auch nicht verwunderlich: Als Doktorandin befinde ich mich in einer ständigen Bewertungssituation. Alles, was ich tue, wird irgendwann einen Notenstempel aufgedrückt kriegen. Und wo es nicht die Note ist, wie bei der Diss., ist es das kritische Feedback der Reviewer für den Artikel, oder die interessierten oder uninteressierten Fragen und Kommentare nach meinem Vortrag bei der Konferenz. Peer review ist das Prinzip der Wissenschaft, aus guten Gründen, aber die ständige Kritik (oder die Angst davor) kann ganz schön am Selbstbewusstsein kratzen.

Dazu kommt noch das „impostor syndrome“, das gerade unter Frauen besonders verbreitet scheint. Mit jedem Schritt in die Öffentlichkeit (Vortrag, Einreichen eines Artikels, Vorstellen des Posters…) bin ich einen Schritt näher daran, dass die ganze Welt erkennt, dass ich nur eine Riesen-Aufschneiderin bin und in Wirklichkeit rein gar nichts auf dem Kasten habe! Und manchmal ist der Misserfolg ja auch real und nicht nur eingebildet: Manchmal laufen die Experimente einfach nicht, manchmal geben die Quellen einfach nichts her, manchmal fällt mir einfach nichts Intelligentes ein, was ich noch sagen könnte. Und dann ist die ständige Einsamkeit – entweder real, weil ich den ganzen Tag allein am Schreibtisch sitze, oder gefühlt, weil niemand so sehr in meinem Thema drin steckt wie ich.

Wie schafft man es, sich davon nicht herunterziehen zu lassen? Seinen Alltag trotzdem zu genießen und Freude an der Arbeit zurückzugewinnen, auch wenn es gerade einfach nicht läuft?

Hier einige Tipps, die mir im Laufe meiner Promotion geholfen haben. Vielleicht fallen euch ja noch mehr ein!

1. Treibe regelmäßig Sport

Ich halte es hier mit Elle aus Natürlich Blond: „Exercise gives you endorphins. Endorphins make you happy. Happy people just don’t shoot their husbands. They just don’t!“ Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft tut Wunder für die Motivation – erstens wegen der Endorphine, aber auch, weil ich mich dann so richtig gut fühlen kann: Ich habe heute morgen schon meinen inneren Schweinehund überwunden und bin joggen gegangen. Dann schaffe ich den Rest auch! Vielleicht habe ich mir auch ein konkretes Ziel gesetzt („Heute laufe ich 20 Minuten am Stück“), was ich erreicht habe. Congratulations to me!

2. Investiere in deine Freundschaften

Gespräche mit guten Freunden führen mir vor Augen, was im Leben wirklich wichtig ist und lenken meine Gedanken auf andere Dinge als meine Diss-Probleme. (Verglichen mit den Beziehungsproblemen meiner Freundin sind die doch ein Witz!).

3. Mache pünktlich Feierabend

Gerade für alle, die nicht in einen Lehrstuhl- oder Arbeitsgruppenablauf eingebunden sind hilft es, aus der Promotion einen 9-5 (oder 6) Job zu machen, mit festem Anfangs- und festem Endpunkt. In der Zeit arbeite ich wirklich konzentriert, aber ich lasse die Arbeit nicht nach hinten ausfransen und über mein ganzes Leben überhand nehmen!

4. Tu dir etwas Gutes und schäme dich nicht dafür

Nicht nur, wenn du Erfolge zu feiern hast, sondern auch dann, wenn du deprimiert bist. Promovieren ist hart und du hast bis hierhin durchgehalten. Das ist weit mehr, als viele andere Leute von sich behaupten können! Gönne dir heute Abend ein Glas Rotwein und deine Lieblingsserie. Oder einen Bummel durch die Stadt. Oder was auch immer. Du hast es verdient!

5. Sauge Ermutigung auf

Lege dir ein Word-Dokument oder eine Post-It-Sammlung auf deiner Pinnwand an, in der du jeden positiven Kommentar, den du zu deiner Arbeit bekommst, festhältst. Ein Prof. aus den USA schrieb mir einmal: „What a much-needed dissertation you are writing!“ Davon habe ich jahrelang gezehrt!

6. Schreibe dir auf, was du gelernt hast

Setz dich regelmäßig hin und notiere dir, was du im Laufe deiner Promotion Neues gelernt hast – nicht nur Informationen, sondern auch Fähigkeiten, Sprachkenntnisse usw. Feiere den Fortschritt, den du jeden Tag machst!

Manche Leute finden es auch hilfreich, jeden Tag aufzuschreiben, was sie gemacht haben. Dann kommt es einem nicht so vor, als würde die Zeit einfach so davonrinnen. Ich schreibe besonders gerne To-Do-Listen mit Dingen, die ich bereits erledigt habe und gleich durchstreichen kann! Da können auch gerne Dinge auftauchen, die nichts mit der Diss zu tun haben. Okay, heute habe ich vielleicht nur einen Artikel gelesen, aber hey, dafür habe ich das Bad geputzt!

7. Hole dir regelmäßig Feedback

Bestehe auf regelmäßigen Treffen mit deinem Doktorvater oder deiner Doktormutter. Man braucht diese künstlichen Deadlines, um auf etwas hinarbeiten zu können.

8. Verfolge Hobbyprojekte mit sichtbarem Erfolg

Ein großer Teil des Dissertation-Blues ist, dass Erfolge sich in Worddateien verstecken, die von täglich vielleicht von 220KB auf 270KB wachsen. Mir hilft es sehr, zum Ausgleich Dinge zu tun, die sichtbaren Erfolg produzieren. Brot backen zum Beispiel, andere Leute stricken Schals, oder oder…

9. Geh vor die Tür!

Ich finde es auch wichtig, regelmäßig rauszugehen und Teil der Welt zu sein und nicht in den Schreibphasen einsam und allein hinter meinem Schreibtisch zu Hause zu versinken. Geh in die Bibliothek oder setz dich ins Café, wo du von Leuten umgeben bist, die auch arbeiten. Das gibt mir das Gefühl: Wir sitzen alle in einem Boot!

10. Mach’ mal was anderes!

Und zu guter Letzt… Manchmal muss man auch einfach mal etwas anderes machen (da ist es ganz ähnlich wie bei der Prokrastination!). Du kommst schon noch wieder zum Arbeiten, vielleicht braucht dein Gehirn auch einfach gerade mal eine Pause. Dann buche die Reise, die du schon lange geplant hast, räum’ deinen Schreibtisch auf, schreib den Blogpost… alles, was nichts mit deiner Arbeit zu tun hat!

Was hilft euch, aus dem Dissertation-Blues herauszukommen?

*Befragt wurden 3659 flämische Promovenden der Natur- und Sozialwissenschaften. Die Klassifizierung psychiatric distress/disorder beruht auf den Antworten der Befragten und stellt keine klinische Diagnose dar.

 

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