Abbrechen oder Durchhalten? Teil 2

Soll ich die Promotion durchziehen oder abbrechen? Diese Frage Stellen sich viele Promovierende wenn Gespräche mit der Betreuung frustrieren, wichtiges Equipment für die Versuche nicht geliefert werden kann, Archive wochenlang geschlossen sind obwohl man dringend ein Dokument ansehen muss oder man seit Tagen vor einem leeren Dokument sitzt und nicht die richtigen Worte findet.

Herausforderungen und Probleme gehören zu einem so komplexen und langwierigen Projekt wie einer Dissertation leider dazu. Aber es gibt auch Situationen und Umstände in denen es keinen Sinn mehr macht die Arbeit zu beenden und man sich lieber anderer Projekten widmen möchte oder muss. In Teil 1 ging es um die häufigsten Probleme, die Doktoranden ans Aufhören denken lassen. In diesem Teil geht es um die Argumente, die Doktorand*innen dann doch überzeugen ihre Promotionen fortzusetzten.

Auch diese stammen aus Inger Mewburns Artikel „Why do people quit the PhD?“. Die am häufigsten genannten Gründe waren:

  • Ich habe schon so viel investiert, jetzt kann ich es auch zu Ende bringen
  • Druck/ Erwartungen von außen (Familie oder auch Doktormutter/-vater)
  • Scham über das Scheitern wäre zu groß

Uff, ich kann diese Gründe sehr gut nachvollziehen und trotzdem, oder gerade deswegen, finde ich sie tragisch. Es sind also Scham und Erwartungsdruck, die uns an den Schreibtisch bringen?

Ich habe schon so viel investiert, jetzt kann ich es auch zu Ende bringen

Unter der sunk cost fallacy versteht man den Denkfehler in Projekten, die viel Zeit, Geld oder Arbeit erfordern immer noch mehr davon zu investieren, weil man bereits so viel investiert hat. Die Zeit, die Arbeit, die Tränen, die du bisher in deine Promotion gesteckt hast, bekommst du nicht wieder. Die Vergangenheit kann man nicht ändern. Man kann immer nur über die Zukunft entscheiden und darüber was man mit seiner zukünftigen Zeit und Arbeit anfangen will. Daher ist „Aber ich habe schon so viel darein gesteckt!“ kein logischer Grund mit der Promotion weiter zu machen.

Sinnvoll ist es nur sich zu fragen was man in Zukunft noch investieren muss, um sein Ziel zu erreichen. Insbesondere: was musst du noch investieren, um dein Minimalziel zu erreichen. Müssen es wirklich noch zwei Paper sein? Oder lässt dich dein Prof auch mit einem promovieren? Müssen es wirklich 400 Seiten sein oder reichen auch 300? Brauchst du nach deiner besten Schätzung noch zwei Monate oder ein Jahr? Dazu gehört auch sich zu überlegen, ob man das was noch nötig ist auch investieren kann. Vielleicht kosten einen auch zwei weitere Monate zu viel mentale und körperliche Gesundheit.

Natürlich geht es nicht nur um Logik und es tut weh sich eizugestehen, dass man viel Zeit und Arbeit in etwas investiert hat, das letztendlich nicht fruchten wird. Meiner Meinung nach ist es aber viel zu pessimistisch die bisherige Arbeit als verschwendet zu sehen. Während der Promotion lernt man sehr viel: über das Thema, über Techniken, wie man im Team zusammenarbeitet, wie man mit Vorgesetzten kommuniziert, wie man sich organisiert, wie man recherchiert, wie man gute Texte schreibt und so weiter. All diese Erfahrungen und Fähigkeiten sind ja nicht weg, nur weil man keinen Doktortitel vorzuweisen hat. Aus diesen Gründen muss eine abgebrochene Promotion auch für die weitere Jobsuche kein Hindernis sein.

Druck/ Erwartungen von außen

Es ist oft sehr schwer Erwartungen von anderen zu enttäuschen. Vielleicht hat dein Prof dich sehr unterstützt und vieles für dich möglich gemacht. Vielleicht haben deine Eltern viel aufgegeben, damit du studieren und promovieren kannst. Vielleicht erwarten deine Kommilitonen, dass du eine glänzende Unikarriere hinlegst. Ich glaube in vielen Fällen sind diese Erwartungen unsere eigenen und den Druck bauen wir selbst auf indem wir unsere hohen Erwartungen auch noch auf andere projizieren.

Aber natürlich ist es auch nicht leicht die eigenen Ansprüche zu korrigieren. Man kann aber zumindest damit anfangen sie zu hinterfragen. Wenn die eigenen Erwartungen nicht mehr ganz so hoch sind, fühlt sich die Diss vielleicht auch wieder entspannter an.

Letztendlich sind Druck und Erwartungen von Doktormüttern- und vätern, von Eltern, Partnern oder Freunde kein guter Grund eine Promotion fortzusetzen. Um sich davon ein bisschen frei zu machen, hilft es vielleicht sich bewusst zu machen, dass diese Leute es (vermutlich) gut meinen aber schlichtweg nicht wissen können, was für dich das Richtige ist.

Scham über das Scheitern wäre zu groß

Die Schamforscherin Brené Brown definiert Scham so: „Shame is  the intensely painful feeling or experience of believing that we are flawed and therefore unworthy of love and belonging.”. Sich über ein Scheitern zu schämen heißt also, dass man sich aufgrund dieses Scheiterns als fundamental mangelhaft begreift. Das beste Mittel gegen Scham ist laut Brené Brown übrigens darüber zu sprechen und seine Geschichte zu erzählen.

Eine Promotion nur durchzuziehen, weil man sich über das Abbrechen schämen würde, scheint mir tragisch. Insbesondere, da das Abbrechen gar kein Scheitern sein muss. Man schlägt eben einen anderen Weg ein.

Wenn diese Gründe also lauter schlechte Gründe sind, um die Promotion doch noch weiterzumachen, was sind dann gute Gründe? Mir sind diese eingefallen:

  • Man ist sich darüber klar geworden wie man seine Arbeits- oder Kommunikationsweise ändern kann, um in Zukunft leichter zu promovieren
  • Man hat Wege gefunden, um mit finanziellen Problemen, Schwierigkeiten mit der Betreuerin oder anderen Sorgen umzugehen und die Situation zu verbessern
  • Das Thema interessiert einen so sehr, dass man auch mit wenig Erfolgen daran weiter arbeiten möchte
  • Man arbeitet in einem tollen Team
  • Man ist zuversichtlich, dass man die noch anstehenden Aufgaben gut erledigen kann
  • Man ist an einer Karriere interessiert für die der Titel nötig ist, und bereit einige harte Jahre zu überstehen

So oder so wünsche ich uns allen den Mut gute Entscheidungen für uns zu treffen und uns schlechte Entscheidungen selbst zu verzeihen.

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