Ich mache Tierversuche – Teil 2

In Teil 2 dieser Reihe geht es um Zahlen und Fakten zu Tierversuchen. Also wie viele Tierversuche werden in Deutschland wofür durchgeführt? Außerdem geht es um die Einstufung der Belastung für die Tiere und darum wofür keine Tierversuche durchgeführt werden dürfen.

Die Frage der Übertragbarkeit von Tierversuchen, habe ich spontan in den dritten Teil verschoben. Dort wird es konkret darum gehen, wie ein Tierversuchsantrag aussehen muss und dabei müssen die Forscher ja gerade begründen, welchen Nutzen die Versuche haben sollen. Somit passt diese Frage besser in den dritten Teil.

Teil 1 findet ihr hier.

Anzahl der Versuchstiere

Nach einer EU-Richtlinie müssen die Anzahl der Versuchstiere der EU gemeldet werden. Das umfasst die Verwendung von Wirbeltieren, Larven von Wirbeltieren und Kopffüßern (z.B. Kraken). Außerdem muss die Zucht von genetisch veränderten Tieren gemeldet werden, auch wenn diese nicht in einem tatsächlichen Versuch verwendet werden. Diese Zahlen übermittelt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, kurz das BMEL, an die EU.

Das BMEL stellt eine ganze Menge Informationen zum Tierschutz zur Verfügung, die neusten Zahlen zu Tierversuchen sind die aus dem Jahr 2016.

2016 wurden demnach etwa 2 Millionen Tiere in Tierversuchen eingesetzt, davon 1.455.779 Mäuse, 248.862 Ratten, 98.339 Kaninchen, 47.256 Vögel und 266.502 Fische. Etwa 79 % der Versuchstiere sind dementsprechend Nagetiere. Im Vergleich zu 2015 wurden deutlich mehr Fische eingesetzt (da waren es 154.878), die anderen Zahlen haben sich nur leicht verändert. Zu den 2.189.261 Tieren, die tatsächlich in Versuchen eingesetzt wurden kamen noch 665.325 Tiere, die zu Versuchszwecken getötet wurden ohne dass vorher Versuche an ihnen durchgeführt werden. Diesen Tieren werden dann Organe, Gewebe oder Zellen entnommen. 42 % der verwendeten Tiere waren genetisch verändert.

Es wurden 2.462 Affen und Halbaffen verwendet (Menschenaffen wurden in Deutschland seit 1991 nicht mehr eingesetzt), 3.977 Hunde und 766 Katzen. Hunde werden insbesondere für die Erforschung von Tierkrankheiten und für vorgeschriebene Tests an Arzneimitteln eingesetzt.

Natürlich lassen sich Tierversuche nicht dadurch rechtfertigen, dass man auf die Fleischindustrie zeigt aber der Vergleich ist so krass, dass ich ihn doch aufschreiben will. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland 600.989.761 Masthühner geschlachtet. Das sind 300mal so viele wie alle Versuchstiere zusammen.

Belastung von Versuchstieren

Neben der Anzahl der Tiere muss auch die Belastung gemeldet werden. Der Schweregrad eines Tierversuchs muss im Genehmigungsantrag wissenschaftlich Begründet dargelegt werden mit Zuhilfenahme von Anhang VIII der EU-Richtlinie 2010/63/EU. Dort sind vier Stufen aufgeführt: Keine Wiederherstellung der Lebensfunktion, Geringe Belastung, Mittlere Belastung und Schwere Belastung.

Keine Wiederherstellung der Lebensfunktion bedeutet, dass der gesamte Versuch unter Vollnarkose durchgeführt wird aus der das Tier nicht wieder erwacht.  Als geringe Belastung werden Versuche eingestuft bei denen zu erwarten ist, dass das Tier kurzfristig geringen Schmerzen, Belastungen oder Ängsten ausgesetzt ist. Beispiele dafür sind: ein Tier in Narkose legen, nicht-invasive Bildgebende Verfahren wie z.B. ein MRT, kurzfristige Trennung vom Sozialpartner z.B. Studien in denen eine Ratte oder Maus kurzfristig im Einzelkäfig gehalten wird, Verabreichung von Substanzen, die nur geringe Auswirkungen auf das Tier zeigen oder Induktion von Tumoren, die keine klinische Wirkung auf das Tier haben.

Bei mittlerer Belastung sind die Tiere kurzfristig mittleren Schmerzen, Leiden oder Ängsten ausgesetzt. Beispiel dafür sind: chirurgische Eingriffe unter Vollnarkose mit Schmerzbehandlung, die mit postoperativen Schmerzen einhergehen, Nahrungsentzug für 48 Stunden bei erwachsenen Ratten oder häufige Verabreichung von Substanzen, die mäßige klinische Wirkung zeigen.

Bei schwerere Belastung sind die Tiere kurzfristig schweren Schmerzen, Leiden oder Ängsten ausgesetzt oder dauerhaft mittleren Schmerzen, Leiden oder Ängsten. Schwere Belastungen sind zum Beispiel: Toxizitätstest bei denen der Tod der Endpunkt ist, testen von Geräten, deren Versagen für das Tier mit großen Schmerzen oder Ängsten verbunden ist wie z.B. Herzunterstützungsgeräte, vollständige Isolierung geselliger Arten über einen langen Zeitraum oder Versuche bei denen Schwimmen oder körperliche Anstrengung bis zur Erschöpfung erzwungen werden.

Tierversuche, die mit schweren Schmerzen, Leiden oder Ängsten einhergehen, die nicht gelindert werden können und damit lange anhalten dürfen nach § 25 der Tierschutzversuchstierordnung nur durchgeführt werden, wenn die „Durchführung des Versuchs wegen der Bedeutung der angestrebten Erkenntnisse unerlässlich ist.“ Beispiele für solche unerlässlichen Erkenntnisse sind Entwicklung von Impfstoffen bei Epidemien.

Im Jahr 2016 waren 61% der Tierversuche als gering belastend eingestuft, 23% als mittel belastend, 5 % als schwer belastend und 11 % fielen in die Kategorie „keine Wiederherstellung der Lebensfunktion“.

Ziele von Tierversuchen

Laut Tierschutzgesetz (§7a(1)) dürfen Tierversuche nur durchgeführt werden, wenn sie für bestimmte Zwecke unerlässlich sind. Diese Zwecke sind z.B.: Grundlagenforschung, Forschung mit dem Ziel der Erkennung, Vorbeugung oder Behandlung von Krankheiten bei Menschen oder Tieren, Förderung des Wohlergehens von Tieren oder Verbesserung der Haltungsbedingungen von landwirtschaftlicher Nutzung, Aus- und Fortbildung und gerichtsmedizinische Untersuchungen.

2016 wurden z.B. 53% der Versuchstiere für Grundlagenforschung genutzt, 26 % für regulatorische Zwecke und Routineproduktion (das sind Tests medizinischer Produkte und toxikologische Sicherheitsprüfungen, die für viele Chemikalien vorgeschrieben sind), 14 % für angewandte Forschung und 2,3 % zur Hochschulbildung.

Im Tierschutzgesetz werden nicht nur die erlaubten Zwecke von Tierversuchen genannt sondern einige auch explizit verboten. So dürfen Tierversuche nicht durchgeführt werden, um Waffen, Munition oder dazugehöriges Gerät zu erproben oder um Tabakerzeugnisse, Waschmittel oder Kosmetika zu entwickeln.

Insbesondere für Kosmetik wird dieses Gesetz von einer EU-Richtlinie ergänzt. Seit 2013 dürfen in der EU keine Kosmetika mehr hergestellt oder verkauft werden, die als fertiges Produkt oder deren Bestandteile nach 2009 am Tier getestet wurden. Eine wichtige Ausnahme dabei: das gilt nur für Inhaltsstoffe, die ausschließlich in Kosmetik verwendet werden. Inhaltsstoffe, die z.B. auch in Arzneimitteln oder Reinigungsmitteln enthalten sind müssen häufig am Tier getestet werden. Ein zweiter Punkt, der vielleicht für eure Kaufentscheidung wichtig ist: Weltweit tätige Kosmetikfirmen führen trotzdem Tierversuche durch, da es in anderen Ländern vom Gesetzt gefordert ist auch das fertige Produkt nochmal am Tier zu testen. Wenn ihr also nicht möchtet, dass für eure Badezimmerausstattung Tierversuche durchgeführt werden, macht es Sinn auf tierversuchsfreie Kosmetik mit den entsprechenden Siegeln (der springende Hase, der Hase mit schützender Hand und die vegan Blume) zurückzugreifen.

 

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