Ich mache Tierversuche – Teil 3

Nach Teil 1 zu den ethischen Aspekten von Tierversuchen und Teil 2 zu Zahlen und Fakten rund um Tierversuche, geht es heute in Teil 3 um die konkrete Genehmigung von Tierversuchen und um die Frage, ob und was Tierversuche an verwertbarem Wissen hervor bringen.

Der Nutzen von Tierversuchen

Gerade diese letzte Frage lässt sich für aktuelle Tierversuche schwer beantworten, wir werden erst in einige Jahren bis Jahrzehnten wissen, ob die heutigen Tierversuche in der Grundlagenforschung zu anwendbaren Therapien oder dem Verständnis von Krankheiten beigetragen haben.

Tierversuche aus der Vergangenheit haben unser Wissen, insbesondere unser medizinisches Wissen, aber stark geprägt. Deutlich wird das zum Beispiel am Nobelpreis für Physiologie oder Medizin (das ist tatsächlich der korrekte Name, der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin), der seit 1901 vergeben wird: von 1980 bis 2015 wurde bis auf einmal (1983) jeder Nobelpreis für Forschung mit Tierversuchen vergeben.

Schilddrüsenmedikamente, Insulin, Impfungen gegen Tetanus und Herzschrittmachen wurden alle am Tier entdeckt und entwickelt. Eine Übersicht bietet zum Beispiel die deutsche Forschungsgemeinschaft, die verschiedene Broschüren zu Tierversuchen herausgegeben hat (hier und hier).

Trotzdem ist es richtig, dass sich viele Ergebnisse aus Tierversuchen nicht so leicht auf den Menschen übertragen lassen. Nehmen wir das Beispiel ein Medikament oder eine Therapie zu testen. Zunächst braucht man ein gutes Tiermodell für die Krankheit, die man behandeln möchte. Das ist schon mal gar nicht so leicht. Es gibt zum Beispiel sehr viele Tiermodelle für Epilepsie. Das liegt zum einen daran, dass Epilepsie eine komplizierte Krankheit ist und dass es viele Formen von Epilepsie gibt. Einige entstehen spontan, andere in Reaktion auf schwere Kopfverletzungen. Manche gehen mit schweren Krampfanfällen einher andere mit verschiedenen Bewusstseinstrübungen. Manche gibt es nur bei Kindern andere nur bei Erwachsenen. Auch beim Menschen lassen sich unterschiedliche Epilepsien nicht alle mit derselben Therapie behandeln. Die Frage ist dann welchen Aspekt man im Tiermodell nachempfinden möchte. Interessiert einen die Entstehung der Epilepsie, z.B. in welchem Lebensalter sie meistens entsteht, wie es nach einer Kopfverletzung dazu kommt, welche äußeren Faktoren sie beeinflussen? Oder möchte man ein neues Medikament testen und es ist wichtig, dass das Tiermodell die Reaktion der menschlichen Patienten auf bestimmte Medikamente kopiert? Oder möchte man ein neues Diagnoseverfahren testen und braucht dafür dieselben Symptome im EEG ? Oder geht es einem um genetische Faktoren und man braucht ein Tiermodell in dem die Epilepsie vererbt wird? (Falls es euch interessiert, diese Paper gibt einen Überblick über Tiermodelle in der Epilepsie)

Dann möchte man natürlich ein Tiermodell, dass sehr reproduzierbar ist. Das heißt, in dem alle Tiere ein sehr ähnliches Krankheitsbild zeigen, sodass man eine statistische Auswertung zwischen zwei Gruppen zum Beispiel mit und ohne Therapie machen kann. Leider ist das ein fundamentaler Unterschied zur Patientengruppe, die natürlich nicht homogen ist und sich in Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, sonstigem Gesundheitszustand und äußeren Einflüssen unterscheidet. Es ist schlichtweg nicht möglich mit einem Tiermodell, die Patientengruppe und die Bandbreite der Krankheitsausbildung nachzuempfinden. Das führt dazu, dass viele Therapieansätze aus Tierversuchen es nie in die Klinik schaffen. Die Alternativen sind gar nicht an neuen Therapien zu forschen oder diese Forschung an Patienten durchzuführen. Meiner Meinung nach sind das die schlechteren Wege.

Die Genehmigung von Tierversuchen

Vor jedem Tierversuch muss ein Tierversuchsantrag gestellt und genehmigt werden. In dem ist geregelt wie viele Tiere und welche genutzt werden dürfen. Welche Untersuchungen genau durchgeführt werden, wie lange sie dauern und welchen Belastungen die Tiere dadurch ausgesetzt sind. Außerdem muss genau angegeben werden welche Medikamente die Tiere wann und in welcher Dosis bekommen. Es muss erläutert werden wo die Tiere herkommen und wie nach dem Versuch mit ihnen verfahren wird. Auch wer die Versuche durchführt, welche Ausbildung diese Personen haben und wie viele Jahre Berufserfahrung sie mitbringen wird erfasst.

Außerdem muss im Tierversuchsantrag eine ethische Abwägung durchgeführt werden. Es muss begründet werden warum die Versuche relevant sind, welche Vorarbeiten es gibt und warum keine Alternativen zum Tierversuch zur Verfügung stehen.

Diese Anträge werden vom Lanuv (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein Westfalen) genehmigt oder abgelehnt, nachdem sie in einer Kommission aus Wissenschaftlern, Tierärzten, Ärzten und Tierschützern diskutiert wurden. Die Kommissionen bekommen in der Regel nur Anträge aus fremden Städten. Das heißt Anträge aus Münster werden z.B. in Essen oder Köln beraten. Die Sachbearbeiter vom Lanuv sind jedoch nicht an die Ergebnisse der Kommission gebunden.

Seit 2013 gibt es in NRW ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzvereine. Das bedeutet, dass die Mitglieder dieser anerkannten Vereine, die eben auch in den Komissionen sitzen dürfen, gegen die Genehmigung eines Tierversuchs klagen dürfen. Das Besondere daran ist, dass die Vereine im Namen der Tiere klagen dürfen und nicht die Verletzung eigener Rechte geltend machen müssen. So ein Verbandklagerecht für Tierschutzvereine gibt es auch in Bremen, Niedersachsen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und dem Saarland. Anerkannte Tierschutzvereine in NRW sind: Animal Rights Watch e.V., Bundesverband Tierschutz e.V., Deutsches Tierschutzbüro e.V., Europäischer Tier- und Naturschutz e.V., Landestierschutzverband NRW e.V., Menschen für Tierrechte Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V. und Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V und Ärzte gegen Tierversuche e.V..

Jede Einrichtung, in der Tierversuche durchgeführt werden, sei das eine Uni oder die Forschungsabteilung eines Pharmaunternehmens, muss einen Tierschutzbeauftragten anstellen. Diese Person muss fertige Veterinärmedizinerin sein und muss der Behörde Lanuv gemeldet werden. Die Tierschutzbeauftragte berät die Forscher bei der Antragsstellung und achtet darauf, dass alle Auflagen der Behörde im Sinne des Tierschutzes erfüllt werden.

Wenn der Antrag dann genehmigt ist, dürfen die Versuche durchgeführt werden. Wenn sich im Lauf der Versuchsreihe etwas ändert, man zum Beispiel ein anderes Medikament verwenden will oder noch zusätzliche Untersuchungen durchführen möchte, müssen diese Änderungen dem Lanuv gemeldet und wieder genehmigt werden. Natürlich können die genehmigten Versuche unangekündigt kontrolliert werden.

Die Genehmigung eines Tierversuchs ist also ein aufwändiges und auch langwieriges (mehrere Monate) verfahren. Verzeiht mir die Spitze zum Schluss: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Schlachthöfe und Mastbetriebe auch nur halb so strenge Auflagen bekommen oder ansatzweise so genau kontrolliert werden, dann müssten tierische Produkte viel, viel teurer sein. Im Tierversuch dürfte man Tiere ganz sicher nicht ohne Narkose kastrieren. Natürlich nicht, das wäre ja auch Quälerei.

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