Konzentriert Arbeiten

Eine Buchrezension von Cal Newport’s 2017 auf Deutsch im Redline Verlag (München) erschienenen Buchs: Konzentriert Arbeiten. Regeln für eine Welt voller Ablenkungen.

Woody Allen hat in den 44 Jahren zwischen 1969 und 2013 44 Filme gemacht und 23 Academy Awards bekommen. Allen besitzt keinen Computer. Seine Drehbücher hat er auf einer alten deutschen Schreibmaschine geschrieben. Peter Higgs war so abgehängt, dass er 2013 erst durch Glückwünsche einer Nachbarin erfuhr dass er den Nobelpreis für Physik gewonnen hatte. Bill Gates funktionierte jedes Jahr zwei Wochen in „Think Weeks“ um, die er  denkend in einem kleinen Häuschen an einem See verbrachte.

Kurzum: Wirklich gute intellektuelle Arbeit erfordert högschde Konzentration. Wie das gelingt erklärt Cal Newport auf 263 Seiten. Ein sui generis in der Kategorie der Selbsthilfebücher: ein nicht halb so ein unerträglicher Ton wie der alle anderen Selbsthilfebücher in denen der Autor sein eigener Protagonist ist, erst deine problematischsten Probleme feststellt, und dir dann über hunderte von Seiten hinweg minutiös und unnachahmbar vorschreibt wie du sie zu lösen hast. Er ein Genie, du ein Trottel. Nicht so hier. Also eigentlich schon. Aber lustig zu lesen und: Machbar!

Newport ist Akademiker. Wie es sich gehört lassen Definition der Hauptbegriffe und Hypothesen keine zwei Seiten auf sich warten. Konzentriertes Arbeiten – ‘deep work’– ist unabgelenkt, intellektuell herausfordernd, wertschaffend, fähigkeitenfördernd und schwer delegierbar. Es ist nicht zu verwechseln mit Beschäftigtsein, welches Newport als möglichst publikumswirksames Erledigne tausender kleine Dinge versteht. Im Gegensatz zum konzentrierten Arbeiten steht, wenig überraschend, das unkonzentrierte Arbeiten. Das, womit ich normal so die meiste Zeit zwischen 9 und 17 Uhr verbringe: ‘Shallow work’: Kognitiv anspruchslos, nicht besonders wertschaffend, und leicht delegierbar. (Sachen, die eigentlich jeder machen könnte, wenn man ihm/ihr zeigt, wie es geht.) 

Newports Hypothese:

Die Fähigkeit, konzentriert zu arbeiten ist immer seltener anzutreffen und wird immer wertvoller. Wer sie beherrscht, aus dem wird was. 

Wie viele seiner Landsleute versteht Newport die Kunst des Anekdoten erzählen. So auch die von Jason Benn, einem schlauen Kerlchen aus Virginia. Jasons erste Stelle: Eine Unternehmensberatung. Hauptaufgabe: Exceltabellen formatieren. Das dauerte täglich in etwa sechs Stunden. Das gefiel Benn gar nicht. Aber Benn erinnerte sich: Excel hat Macros! (Benn war da schlauer als ich denn ich  musste Macros googlen um herauszufinden was Macros sind.) Benn lernte wie man in Excel Macros programmiert. Und so schaffte Benn seine 6-Stunden Aufgabe künftig in einem Click. Aber Benn war ja ein schlaues Kerlchen. Und so wusste Benn: Wenn Excel Benn Beruf in einem Click selbst lösen kann ist Benns Marktwert begrenzt. Also sattelte Benn um. Benn beschloss Programmier zu werden. Einziges Problem: Benn konnte nicht programmieren. Und für ein Informatikstudium hatte Benn weder die Zeit noch das Geld. (Denn auch Benn war Amerikaner und was die Amis an Studiengebühren auf den Kopf hauen geht auf keine Kuhhaut.)

Wir kommen zum Knackpunkt. Denn Benns Problem, schreibt Newport, ist genau das Problem das viele von uns daran hindert professionell voranzukommen: Komplexe neue Sachen lernen erfordert intensive ununterbrochene Konzentration. Diese Fähigkeit haben die meisten von uns verlernt. Benn: „Ich war ständig im Internet, habe ständig meine E-mails gecheckt, es war fast wie ein Zwang.“ Seine Lösung war so einfach wie drastisch: Benn schloss sich mit Bleistift, Block und Lehrbüchern in einem Zimmer ein. Ohne Computer. Ohne Ablenkung. Das war gar nicht so leicht. Und Benn war nicht gerade ein Naturtalent. In seinem letzten Job verbrachte er laut eigenen Angaben oft 98 Prozent seiner Zeit damit ziellos im Internet zu surfen. Aber Benns Arbeit zahlte sich aus. (Natürlich. Sonst hätte er es ja auch nicht in Newports Buch geschafft.) Nach zwei Monaten hatte er um die 18 Lehrbücher gelesen. Dann ward er bester Kursteilnehmer eines einwöchigen, hammerharten Programmier-Bootcamps und bekam einen Top-Traum-Job in San Francisco. Einkommen vorher: $40.000. Einkommen nachher: $100.000. 

Können wir das schaffen? Yo, wir schaffen das! Cal Newport stellt 4 Regeln auf. Wir behandeln Regel Nr. 1 und verweisen für 2-4 auf die Eigenlektüre. Regel Nr. 1: Arbeite Konzentriert. Newport empfiehlt ein Ritual.

Mach es zur Gewohnheit.

Überleg dir wie du am besten konzentriert arbeiten kannst.

  • Wo kannst du konzentriert arbeiten und wie lange? Gibt es irgendeinen Ort, möglichst ruhig, an dem du dich wirklich gut konzentrieren kannst?
  • Wie kannst du konzentriert arbeiten? Mit oder ohne Internet? Helfen dir spezifische Ziele? Z.B. alle 30 Minuten X Worte zu schreiben?
  • Was kannst du tun um dir selbst dabei zu helfen konzentriert zu arbeiten? Regelmäßige Kaffeepausen? Spaziergänge? Einfacher Zugang zu gutem Essen? (Wir empfehlen die Snacks der Kategorie Nervennahrung!) 

Wenn du nun herausgefunden hast, wie du am besten arbeitest, machst du es genau so. Effekt: Statt zu überlegen welche Art Energiezufuhr gerade jetzt ganz nett wäre arbeitest du. Konzentriert.

Nächster Tipp: 

Investiere in konzentrierte Arbeit.

Mein Lieblingsbeispiel von Newports langer Liste von Leuten, die in konzentriertes Arbeiten investiert haben: Unternehmer (und anscheinend auch Autor) Peter Shankman. Shankmans Antwort auf die Wo-Frage: Auf 30.000 Meter Höhe. “Eingeschlossen in einem Sitz mit nichts vor mir und nichts das mich ablenken könnte”. Als Shankman also einen Buchvertrag unterschrieb, der ihm genau 2 Wochen gab um sein unfertiges Manuskript in ein Buch zu verwandeln war das Ziel der Reise klar: Tokyo.

Shankman schrieb sich durch den Hinflug, trank einen Kaffee in der Business Lounge, und kam mit einem fertigen Manuskrigt zurück in die Vereinigten Staaten. Kosten: $4000. Wert war es jeden Penny. (Kein Wort über CO2-Fußabdrücke, auch nichts von Fridays for Future.) Newport kommentiert: Es ist nicht nur die Umgebung, die es dir leichter macht konzentriert zu arbeiten. Es ist der Psychofaktor: Du hast investiert. Du hast $4,000 gezahlt, du hast dir eine Woche freigenommen oder ein Hotelzimmer gebucht um konzentriert zu arbeiten. Also arbeitest du! 

Und so geht’s:

Das How-To.

  • Konzentrier dich auf wenige, wirklich wichtige Aufgaben.  
  • Miss deinen Erfolg anhand der Zeit die du konzentriert gearbeitet hast. Nicht anhand des großen Ziels. (Zum Beispiel einen Artikel veröffentlichen). In jungen Jahren machte Cal Newport das so: Er hängte sich nicht ignorierbaren Wochenplan in sein Büro und machte für jede Stunde konzentrierter Arbeit einen Strich. Wenn er dann etwas wichtiges geschafft hatte zählte kreiste er den letzten Strich ein.  Effekt 1: Er sah klipp und klar, dass konzentrierte Arbeit Früchte trägt. Effekt 2: Er sah, dass es trotzdem ganz schön viele Striche dauert bis zum Kreis – und war motiviert, mehr Blöcke konzentrierte Arbeit in seinen Terminkalender zu quetschen. 
  • Lass deine Woche Revue passieren. Ideal wären wöchentliche Treffen mit Kollegen, die an einem gleichen großen Ziel arbeiten. Als Ersatz für akademische Einzelkämpfer empfiehlt Newport am Ende jeder Woche zu gucken, was du geschafft hast, wo es gehapert hat, warum und, vor allem, was du nächste Woche so vorhast zu schaffen. Und vor allem:
  • Übertreib es nicht. Die meisten Leute können täglich zwei, drei, wenn es hoch kommt vier Stunden lang konzentriert arbeiten. Alles, was darüber hinaus geht, ist in der Regel unkonzentriert. Geh nach Hause, geh im Park spazieren, erhol dich – aber lass deine Finger von der Arbeit.

Und – solltest du das Gefühl haben nicht genug zu arbeiten: Überleg dir wie viel Leute in normalen Berufen so arbeiten… Denn das sind normalerweise nicht 8 Stunden!

Newport stellt dazu ein Experiment aus dem Jahr 2007 vor, in der eine Softwarefirma (37signals, inzwischen Basecamp) eine Viertagewoche ausprobierte. Als Reaktion auf einen skeptischen Forbes Artikel erklärte der Gründer und Kopf der Viertagewoche hier

The point of the 4-day work week is about doing less work. … Working longer hours doesn’t translate to better results. 

Besides, very few people work even 8 hours a day. You’re lucky if you get a few good hours in between all the meetings, interruptions, web surfing, office politics, and personal business that permeates typical work day.

Fewer official working hours help squeeze the fat out of the typical work week. … When you have fewer hours you usually spend them more wisely.

In diesem Sinne: Koch dir einen Tee, schließe deine Tabs und leg los.

Und wenn du gute Tipps oder Erfahrungen hast… teile sie uns mit und kommentier!

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