Prokrastination – 7 vielleicht hilfreiche Gedanken dazu

Ich schreibe diesen Artikel, um nicht an meiner Doktorarbeit zu arbeiten. Ein Verhalten, das man auch Prokrastination nennt. Aber denkt nicht, dass ich immer mit sinnvollen Dingen prokrastiniere. Das meine Wohnung super aufgeräumt wäre oder mein Tiefkühlfach voll mit leckeren Backwaren. Natürlich bemühe ich auch mal Staubsauger oder Küchenwaage zur Ablenkung, aber viel häufiger lade ich meinen Instagramfeed neu, checke meine Lieblingsblogs, esse Süßigkeiten, schaue alte Gilmore Girls Folgen oder starre einfach aus dem Fenster oder auf den Computerbildschirm. All diese Dinge machen mir keinen Spaß, wenn ich eigentlich ein Paper lesen oder einen Artikel schreiben oder einen Vortrag vorbereiten oder ein Experiment planen oder mich auf ein Meeting vorbereiten sollte. Tatsächlich fühle ich mich beim prokrastinieren ziemlich mies und je länger ich mich vor der unliebsamen Aufgabe drücke, desto schlechter fühle ich mich. Desto schwerer wird es anzufangen, sich zu konzentrieren.

Dann komme ich in den richtig unangenehmen Teil des Prokrastinationszyklus. Gerade habe ich noch taggeträumt, das Abendessen geplant oder darüber nachgedacht, mein Zimmer umzugestalten. Jetzt kommen die Monster aus ihren Ecken. “Du kriegst das doch sowieso nicht hin”, “So wirst du nie fertig”, “Kein Wunder, dass du nichts vorzuweisen hast”. Oder auch konkretere Vorwürfe: “Andere arbeiten 8 Stunden am Tag”, “Soundso sitzt jetzt sicher am Schreibtisch”.

Was jetzt? Ich habe leider kein Geheimrezept, keinen 10-Punkte-Plan. Falls euch so etwas begegnet, bitte schreibt mir! Ich kann euch nur ein paar Einsichten und Ideen mitteilen. Teilweise sind diese Punkte auch nicht so stringent und vielleicht sogar widersprüchlich. Aber manchmal fühlt man sich eben mehr widersprüchlich als stringent.

So heißt eine Straße in Heidelberg – ein super Hintergrundbild zum prokrastinieren.

Ein Disclaimer noch: Prokrastination liegt irgendwo auf dem Spektrum von “Manchmal geh ich mir echt selbst auf die Nerven” bis hin zu völliger Gelähmtheit. Je nachdem wie groß der Leidensdruck ist, ist es wichtig sich professionelle Hilfe zu holen. Das kann man beim Psychosozialen Dienst der Uni, beim Hausarzt oder städtischen psychosozialen Diensten, die oft schnell und kostenfrei erste Gesprächstermine vereinbaren.

1. Prokrastination verstehen

Ich bin nicht die einzige, die sich regelmäßig so fühlt. Zur Prokrastination ist schon wahnsinnig viel geschrieben worden. Besonders empfehlen möchte ich einen Beitrag von Tim Urban von Wait but why, dazu gibt es auch einen tollen TED talk. Der Blogartikel ist nur auf englisch verfügbar, der TED talk auch mit deutschen Untertiteln.

Kurz zusammengefasst gibt es in Tims Theorie den rationalen Entscheider (rational decision maker), den Spaß-jetzt!-Affen (Instant gratification Monkey) und das Panikmonster (panic monster). Der rationale Entscheider trifft rationale Entscheidungen. Er geht Aufgaben an, ohne sie lange aufzuschieben, plant seine Zeit realistisch ein und genießt nach getaner Arbeit verdiente Freizeit. Diese verdiente Freizeit nennt Tim den glücklichen Spielplatz. Manchmal/regelmäßig/fast immer wird der rationale-Entscheider durch den Spaß-jetzt!-Affen beeinträchtigt. Der Affe möchte Spaß und zwar jetzt! Spaß ist wahlweise Youtube Videos, Facebook Feed, Serien aus den 90ern, Bad putzen oder endlich etwas über Schwertwale lernen. Das Problem dabei ist, es macht gar nicht wirklich Spaß, denn eigentlich sollte und wollte man ja was anderes tun. Diese unverdiente Freizeit nennt Tim den dunklen Spielplatz. Wenn der Affe das Steuer übernimmt, hat der rationale Entscheider kaum noch Einfluss, aber manchmal wird er gerettet. Eine Deadline oder andere drohende Katastrophe weckt das Panikmonster und der Affe verkriecht sich ganz schnell wieder.

2. Du bist keine Prokrastiniererin/ kein Prokrastinierer. Du prokrastinierst.

Prokrastinieren ist etwas, das du tust, nicht etwas, das du bist. Es ist eine Entscheidung und du hast jederzeit die Möglichkeit, dich anders zu entscheiden. Du nennst dich auch nicht Koch, weil du gerne kochst und Marathonläufer, weil du zweimal die Woche joggen gehst. Manchmal gerät man in einen Gedankenstrudel, in dem man sich als Opfer der Prokrastination sieht: “Ich bin einfach so”, “Ich kann eben nicht ohne Druck arbeiten”. Höchstwahrscheinlich (siehe Disclaimer) stimmt das nicht. Du bist kein wehrloses Opfer, sondern Herrin über deine Gefühle und Taten und du kannst sehr wohl anders.

3. To do

Schreib eine Aufgabe auf, die du heute unbedingt erledigen willst. Nur eine.

Wenn du keine kleine, konkrete Aufgabe hast, nimm “eine Stunde schreiben”, “eine Seite/Absatz schreiben”. Sei realistisch, an manchen Tagen ist nur ein Absatz drin, dann schreib das auf.

4. Du musst dir beweisen, dass du ES tun kannst und dich dafür feiern!

Was auch immer ES ist. Du musst es tun.

  • Versuch es mit purer Willenskraft, mach dir klar, es ist eine Entscheidung und du kannst sie so oder so treffen.
  • Stell einen Wecker auf 7 Minuten und arbeite so lange an der Aufgabe, wenn du danach nicht mehr willst, darfst du aufhören.
  • Stell dir vor du wärst jemand anders und würdest wie diese Person handeln (ich nehme gerne Hermione Granger).
  • Zerlege die Aufgabe in ganz kleine Häppchen, fange mit den leichten Dingen an und hake jeden Punkt ab (Titelfolie erstellen, Folie mit Danksagung und Förderungen erstellen, Abbildung 1 einfügen und beschriften, …).

Wenn du die Aufgaben dann getan hast – und ich meine hier die eine konkrete Aufgabe, die du tun wolltest – dann feier dich dafür. Sag nicht “toll, jetzt habe ich die Folien für den Vortrag fertig aber das Kapitel noch nicht gelesen”. Sei nicht sarkastisch zu dir “Wow! Eine Stunde geschrieben, das ist ja großartig. So sollte die Diss nur 176 Jahre dauern”. Tu das auf keinen Fall! Du hast dir eine Aufgabe gesetzt und du hast sie erledigt. Das ist super! Das ist der Beweis, dass du kein Mensch bist der “nie was auf die Reihe kriegt”, denn gerade eben hast du was auf die Reihe gekriegt.

5. Mach 100 %

Manchmal fällt es schwer eine Aufgabe anzufangen, manchmal fällt es schwer sie zu Ende zu machen. Wenn du fast fertig bist mit einer Sache, mach sie zu Ende. Sonst sammeln sich all diese Kleinigkeiten an, die man noch eben ganz fertig machen muss. Mach 100 % und hak die Sache ab. Dafür braucht man eventuell noch mal einen richtigen Motivationsschub. Lass dich nicht vom Spaß-jetzt!-Affen ablenken. Denk an den glücklichen Spielplatz und wie viel schöner es dort ist im Vergleich zum dunklen Spielplatz.

6. Was getan werden muss, wird auch getan.

Dieser Satz ist für mich ein riesiges Problem. Er ist wahr, das Panikmonster funktioniert wunderbar bei mir. Wenn eine deadline da ist, werde ich auch fertig bis zur deadline. Aber was ist mit all den Dingen, die keine Deadline haben? Sowas wie “starte neues Projekt”, “engagier dich bei Gruppe xy”, “lerne programmieren/designen/Statistik”. Alles, was Menschen außerhalb von dir betrifft, ist vergleichsweise einfach. Melde dich einfach an, zum Kurs, zum Workshop, zum Komitee, denn eine Mail zu schreiben ist quasi keine Arbeit und dann musst du hin. Für das, was du alleine vor einem Buch oder PC machen sollst, schau auf Punkt 4. Du hast doch bewiesen, dass du ES tun kannst. Nicht nur einmal, viele Male. Du kannst auch diese neue Sache tun.

7. Geh erst mal spazieren.

Manchmal muss man einfach raus aus der Situation und neu starten. Geh raus, lauf einmal um den Block. Hol dir Kaffee oder was vom Bäcker, hör Musik oder mach Hampelmänner. Dann versuch es nochmal.

 

Dann gibt es noch ein paar Ideen, die mir persönlich nicht helfen. Aber euch vielleicht schon.

Erstelle eine künstliche deadline

Du könntest schon einen Termin mit deinem Prof/deinen Kollegen ausmachen, um Ergebnisse zu besprechen. Oder du gibst einer Freundin 50€ und bittest sie das Geld zu spenden/fürs Kino auszugeben, wenn du ihr nicht bis zu einem bestimmten Termin das Ergebnis der Aufgabe, die du tun wolltest, zeigst.

Mach Termine für die Aufgabe

Keine vagen Termine, wie Aufgabe xy wird heute/diese Woche/diese Jahr erledigt. Sondern Aufgabe xy wird am Mittwoch um 10 Uhr erledigt.

 

Ich wünsche euch eine erfolgreiche Restwoche!

8 thoughts on “Prokrastination – 7 vielleicht hilfreiche Gedanken dazu”

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  2. Danke für den Post, der hat mir wirklich aus der Seele gesprochen! Ich verbringe leider zur Zeit viel zu viel Zeit auf dem “dunklen Spielplatz”..

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