The Art of Academic Writing – Auf Englisch Schreiben (2)

Heute folgt Teil 2 unserer Reihe “Auf Englisch schreiben.” In Teil 1 ging es um die Basics: Was macht einen gut geschriebenen Text auf Englisch aus? Was gilt im Englischen als gute Praxis, was im Deutschen gar nicht geht? Von welchen liebgewonnenen Gewohnheiten und Regeln muss ich mich trennen?  Heute geht es weiter mit Tipps und Tricks für einen ganz besonders eleganten Schreibstil – für die pros und alle, die es werden wollen:

In ihrem Buch „Stylish Academic Writing“ (das ihr ja bereits aus Teil 1 unserer Reihe kennt) ermahnt uns die Literaturwissenschaftlerin Helen Sword:

„Remember, stylish academic writers spend time and energy on their sentences so that their readers won’t have to!“ (Sword, S. 62).

Wie Recht sie hat – und wie häufig ignoriere ich ihren Rat, weil es mir einfach zu mühselig ist, an meiner Prosa zu feilen. Schließlich geht es ja in der Wissenschaft um Inhalt, nicht um Form. Doch genau da greift Swords Ermahnung: Wenn ich als Autorin meinen Lesern mit Respekt begegnen will, heißt das, dass ich ihre Zeit genauso ernst nehme wie meine eigene. Und ihnen nicht abverlange, jeden Satz zwei Mal lesen zu müssen, um meine Gedanken nachvollziehen zu können.

Wir haben ja bereits festgestellt, dass sich die Spielregeln für gutes akademisches Schreiben im Englischen ziemlich stark vom Deutschen unterscheiden. Auf Englisch darf und sollte ich bestimmte Dinge berücksichtigen, die im Deutschen mindestens ein Stirnrunzeln bei meinen Lesern hervorrufen würden. Umgekehrt sollte ich bestimmte Dinge vermeiden, die im Deutschen selbstverständlich sind, sogar als gutes wissenschaftliches Schreiben angesehen werden (dazu mehr in Teil 3 dieser Reihe). Einige der meiner Erfahrung nach wichtigsten Beispiele dafür findet ihr im Folgenden – natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit!

Was man tun darf/sollte:

Laut Helen Sword – die so etwas wie ein Guru im Gebiet des wissenschaftlichen Schreibens im englischsprachigen Raum ist – kann jeder Autor und jede Autorin drei einfache Prinzipien umsetzen, um schöne Sätze zu formulieren (siehe Sword, S. 49): Spezifische Nomen und lebhafte Verben verwenden, Nomen und Verben eng beeinander halten und überflüssigen „clutter“ vermeiden (dazu mehr nächste Woche). Noch einmal im Detail….

  1. Viele spezifische Nomen und lebhafte Verben verwenden, gerade, wenn ich sehr abstrakte Konzepte beschreibe!

Das fällt uns Deutschen wirklich nicht leicht! Wir lieben abstrakte Nomen und Substantivierungen. Genau die sollen wir aber im Englischen vermeiden. Sword beschreibt abstrakte Nomen als solche, die den Leser metaphorisch in der Luft hängen lassen: Sie geben ihm nichts an die Hand, was er sich irgendwie vorstellen kann. Beispiele dafür sind Wörter wie Paradigma oder Diskurs. Spezifische Nomen dagegen helfen unseren Lesern dabei, das Gesagte gedanklich besser und bildlich nachvollziehen zu können – das sind Nomen, die konkrete Personen oder Dinge beschreiben.

Der Todfeind im Englischen sind übrigens Substantivierungen. Das sind Substantive, die von einem Verb oder Adjektiv abgeleitet werden. Substantivierungen erkennt man zum Beispiel an Endungen wie –tion, -ness, -ment oder dem Gerund –ing (z.B. nominalization, usefulness, movement, editing).

Natürlich lassen sich abstrakte Nomen und Substantivierungen nicht immer vermeiden. Dann sollte man sie, laut Sword, mit „lebhaften Verben“ kombinieren, die die Vorstellungskraft der Leser animieren. Wenig „lebhaft“ sind Hilfsverben wie be und have, da diese selbst keine Aktion beschreiben. Swords Leitsatz ist: Mindestens ein Satz pro Absatz sollte ein spezifisches Nomen oder eine Person als Subjekt enthalten, auf das sofort an lebhaftes Verb folgt.

Wie immer gilt also im Englischen: Je spezifischer, je bildlicher, desto besser!

  1. Nomen und Verben eng beieinander platzieren!

Auch Swords zweites Prinzip weist auf eine beliebte Falle für uns Deutsche hin. Bei uns kommt das Verb in komplexeren Sätzen ja meist erst ganz am Ende des Satzes. Sword nennt das das „who’s kicking whom“-Problem: Wenn das Verb so weit weg vom Nomen steht, dass wir den Satz zwei oder drei Mal lesen müssen, um zu verstehen, was hier eigentlich das Subjekt ist und wer genau was tut. Als Faustregel empfiehlt Sword, dass sich nicht mehr als zwölf Wörter zwischen Nomen und Verb befinden sollte. Idealerweise folgen Nomen und Verb aber direkt aufeinander.

  1. Personalpronomen verwenden?!

Wir Deutschen haben ja seit Beginn unserer Studienkarriere eingeimpft bekommen, auf gar keinen Fall die Wörter „ich“, „wir“, „mir“, „mich“ oder „mein“ zu verwenden. Das sei unangemessen – höchstens Nobelpreisträger dürfen als Autoren sichtbar im Text in Erscheinung treten. Im englischsprachigen Raum sind die Meinungen da sehr viel geteilter und viele Autoren empfehlen durchaus, Personalpronomen zu verwenden. Die Logik dahinter ist, dass ein Autor ohnehin im Text präsent ist und seine eigene Stimme, Perspektive und Meinung in den Text hineinfließen lässt. Es ist also ehrlicher und transparenter, das auch deutlich zu machen, indem ich Personalpronomen verwende.

Hier gilt aber vor allem: Entscheide dich für oder gegen das Verwenden von Personalpronomen und bleibe der Entscheidung dann treu. Entweder ich trete durchgängig als Autorin in Erscheinung oder ich halte mich durchgängig im Hintergrund – Hauptsache, wie so oft, ich handhabe es einheitlich. Ich habe es persönlich so gelöst, dass ich, wenn ich im deutschsprachigen Raum englische Texte einreiche (was ja durchaus vorkommt) es vermeide, Personalpronomen zu nutzen, da das hier als schlechter Stil angesehen wird. Schreibe ich primär für ein englischsprachiges Publikum, erlaube ich mir das „ich“. Es kostet mich aber trotzdem etwas Überwindung!

  1. Interessante Titel wählen

Gerade die Amerikaner sind wahre Meister darin, ihren Artikeln und Büchern knackige Titel zu geben. Allein ein Blick über die Publikationen, die ich in meiner Diss. zitiert habe, zeigt, dass sich Amerikaner manchmal einfach mehr Mühe geben mit ihren Titeln. (Der Grund dafür liegt darin, dass die Verlage darauf angewiesen sind, dass die Bücher sich verkaufen, da nicht, wie in Deutschland, die Autoren für die Druckkosten aufkommen müssen).

Oft bestehen diese Titel aus einem kurzen, knackigen Haupttitel und einem informativen Untertitel. Ganz toll, wenn der Untertitel beim Leser ein „Warte, was?“ im Kopf heraufbeschwört. Zum Beispiel habe ich in meiner Diss. oft das Buch „Moral Minority: The Evangelical Left in an Age of Conservatism“ zitiert. Ein Paradebeispiel für einen gelungenen Titel: Schon allein die Alliteration im Haupttitel ist eine Augenweide. Gleichzeitig weist dieser Titel direkt auf das zentrale Argument des Buches hin: Es gab nicht nur die bekannte „Moral Majority“ der christlichen Rechten in den USA, sondern eben auch die „moral minority.“ Der Untertitel unterstreicht diesen „warte, was?“ Moment, indem er die „evangelical left“ dem „age of conservatism“ gegenüberstellt.

Unser Schreibguru Helen Sword beschreibt genau das als ein Indiz für einen gelungenen (Unter)titel: Er stellt zwei scheinbar unvereinbare Gegensätze gegenüber und weißt somit auf das große Rätsel hin, das dieses Buch lösen will. Ein weiteres gutes Beispiel dafür ist Bethany Moretons „To Serve God and Walmart: The Making of Christian Free Enterprise“. Hier enthält schon der Titel einen scheinbaren Gegensatz – Gott und Walmart dienen. Der Untertitel erklärt dann, dass sich das Buch mit der Geschichte der Verbindung zwischen Kapitalismus und Christentum in den USA befasst.

Solche Bücher nehme ich doch viel lieber in die Hand als einen drögen Band mit einem Titel à la „Die Gerechtigkeit des Lehrers unter besonderer Berücksichtigung der höheren Lehranstalten“ ….

  1. Sich mit der Einleitung Mühe geben

Deutsche Einleitungen – gerade in papers – bereiten den Lesern oft gleich von Anfang an geradezu Kopfschmerzen. Natürlich wird alles relevante gesagt, die Forschung in ihren Kontext eingebettet, Lücken aufgetan, die geschlossen werden sollen und die Methode erläutert – aber es macht schlichtweg keinen Spaß, sie zu lesen.

Auf Englisch dürfen wir hier unsere Kreativität walten lassen. Schon während des Rechercherprozesses lege ich mir ein Dokument an, indem ich besonders schöne Zitate oder Anekdoten sammle, die sich für die Einleitung eignen würde. Denn in der Einleitung ist mein Ziel zweierlei: Ich möchte die Aufmerksamkeit des Lesers packen, mir seine Zeit verdienen, die er oder sie in die kommenden Seiten investieren wird. Gleichzeitig sollte das Zitat oder die Episode natürlich repräsentativ für das stehen, worum es in dem Text geht und idealerweise das Hauptargument vorbereiten. Am einfachsten ist es sicherlich, mit einem Zitat zu beginnen (als Historikern verwende ich dafür natürlich gerne Zitate aus meinen Quellen). Doch auch eine Anekdote, ein Dialog oder ein provokantes Statement, welches auf das Thema/Argument hinweist, eignen sich gut, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu wecken.

In ihrem Buch „Apostles of Reason“ stellt die Historikerin Molly Worthen ihrer Einleitung drei Zitate aus ihren Quellen voran, die ihr Eingangsstatement belegen und steigt dann mit den einfachen Sätzen ein:

„Secular intellectuals have not been kind to the evangelical mind. They are inclined to see evangelicals as a menace to progress and free thought. Yet their scorn cannot erase a vexing fact: American evangelicals, so maligned as anti-intellectual, have a habit of taking certain ideas very seriously.“ (Worthen, S. 1)

Schon im ersten Satz provoziert Worthen ihre Leser, von denen vermutlich die meisten selbst säkulare Intellektuelle sind – und stellt dieser provokanten Behauptung dann die Hauptthese ihres Buchs gegenüber: Evangelikale Christen sind eben mitnichten anti-intellektuell – bestimmte Ideen nehmen sie sehr ernst. (Welche? Fragt sich der Leser gleich und ist geneigt, weiterzulesen.)

Ein anderes Beispiel, in dem der Autor mit einem Zitat beginnt, das beim Leser Kopfkratzen hervorruft, ist das bereits zitierte Buch Moral Minority von David Swartz:

„Evangelical activists, proclaimed the Washington Post, sought to ‚launch a religious movement that could shake both political and religious life in America.’ This prediction referred not to efforts in 2000 to elect George W. Bush to the White House, nor to the Reagan Revolution of the 1980s […] Rather, the Post was reporting on what has become a mere footnote in the history of evangelical politics: […] (Swartz, S.1)

 Auch hier eröffnet Swartz mit einem Zitat, das gleichzeitig auf das „Puzzle“ hinweist, das das zentrale Argument seines Buches ist: Evangelikale Aktivisten, die die Grundfesten der politischen Landschaft erschüttern wollten… aber es waren linke, nicht rechte Aktivisten, wie jeder Leser wohl vermuten würde.

Ein eleganter Schreibstil setzt sicherlich einige Übung voraus – doch wenn man sich darauf einlässt, macht es unglaublich viel Spaß! Zum Abschluss daher noch ein Satz von Helen Sword, die das elegante Schreiben wahrlich gemeistert hat.

“A carefully crafted sentence welcomes its reader like a comfortable rocking chair, bears its reader across chasms like a suspension bridge, and helps its reader navigate tricky terrain like a well-hewn walking stick.” (Sword, S. 48)

 Schmilzt man beim Lesen nicht geradezu dahin?

 

Literaturangaben:

Helen Sword, Stylish Academic Writing (Cambridge, MA etc.: Harvard University Press, 2012).

David Swartz, Moral Minority: The Evangelical Left in an Age of Conservatism (Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press, 2012).

Molly Worthen, Apostles of Reason: The Crisis of Authority in American Evangelicalism (Oxford, UK; New York: Oxford University Press, 2014).

 

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