Während der Promotion bloggen: Soll ich? Soll ich nicht?

Photo by Tim Gouw on Unsplash

Im November wird Café cum laude zwei Jahre alt und ich glaube, ich habe wenig erreicht in den letzten Jahren auf das ich so stolz bin wie die Tatsache, dass wir diesen Blog ins Leben gerufen und in guten wie in schlechten Zeiten gehegt und gepflegt haben. Ich habe beim Bloggen unglaublich viel gelernt (dazu unten mehr) und habe über den Blog auch den Einstieg ins außeruniversitäre Berufsleben geschafft (auch dazu unten mehr). 

Der Zeitfaktor

Aber ich habe aus gutem Grund erst nach meiner Promotion mit dem regelmäßigen Bloggen begonnen: Vorher fehlte mir schlichtweg die Zeit – zumindest sah ich das damals so. Als ich in die Promotion im Fach Geschichte einstieg, redeten meine KollegInnen und ich viel darüber, ob und wie viel wir neben der Promotion publizieren wollten. Der Konsens war: Maximal zwei Artikel, sonst verliert man zu viel Zeit. Konferenzen ebenfalls nicht zu viele, denn am Ende dankt es dir keiner, wenn du nach drei Jahren zwar mit tollen Konferenzbeiträgen und Journal-Artikeln, aber ohne Finanzierung da stehst. Das würde ich heute anders bewerten, nicht zuletzt durch die Erfahrung mit unserem Blogs. Schließlich bloggt Franziska zum Beispiel ja auch seit fast zwei Jahren regelmäßig und liegt trotzdem gut in der Zeit mit ihrer Promotion. Inzwischen glaube ich, dass gerade Wissenschaftsblogs ein tolles Medium sein können, während der Promotion zu publizieren – gerade weil sie so viel weniger Zeit in Anspruch nehmen als ein Journal-Artikel. Die ganze Zeit, die ich bei einer Journal-Publikation ins Formatieren, die ewigen Warteschleifen in der Zusammenarbeit mit den Herausgeberinnen, den vorauseilenden Gehorsam gegenüber etwaiger Kritik und der Besänftigung der Gutachter stecke – all das fällt beim Bloggen größtenteils weg. 

Der Reputationsfaktor

Was dafür allerdings auch wegfällt, ist das tolle Gefühl, in einem A- oder B-Journal publiziert zu haben. Wissenschaftliches Renommee wird nun einmal nach Publikationen gemessen, und zwar danach, wo du publiziert hast und wie häufig du zitiert wurdest (wie das mit dem Journal Impact Faktor funktioniert erklärt Franziska hier). Wenn es um den Postdoc-Antrag und irgendwann um den Ruf auf eine Professur geht, werden die zuständigen Gremien sich wenig beeindruckt zeigen von deinem privaten Blog. Man könnte also durchaus dafür argumentieren, die wenige Zeit, die man während der Promotion hat, lieber in einen oder zwei renommierte Journalartikel zu stecken als in einen obskuren Blog.

Warum es trotzdem eine gute Idee sein könnte zu bloggen

Trotzdem geht der Trend in der Wissenschaft immer mehr in Richtung Blogs als drittes Standbein neben Monographien und Journal-Artikeln. Gerade im anglophonen Raum und in Frankreich bloggen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Fachgesellschaften wie die Organization of American Historians unterhalten ihre eigenen Blogs, die teilweise ähnlich sorgfältig kuratiert werden wie herkömmliche Zeitschriften. Beim geisteswissenschaftlichen Blogportal de.hypotheses (wo ich seit August im Community Management tätig bin) bloggen mehrere hundert deutschsprachige Forschende zu ihren Dissertationsthemen, Forschungsprojekten, Tagungen und Seminaren. 

Was können Blogs also, was Journals nicht können? Das Community Management von de.hypotheses hat kürzlich eine Umfrage unter ihren Bloggenden veröffentlicht, die Aufschluss darüber gibt, warum GeisteswissenschaftlerInnen in Deutschland bloggen: Mit Abstand die am häufigsten genannte Antwort für das vorrangige Ziel des Bloggens war die Kommunikation und der Austausch mit anderen Forschenden (fast 70 Prozent). Ebenfalls häufig genannt wurden das Bloggen als Publikation (45 Prozent), die Vernetzung mit Forschenden (42 Prozent), das Besetzen eines Themas (39 Prozent) und die Dokumentation der eigenen Forschung (39 Prozent). Interessanterweise stellten Bloggende aber fest, dass in der Realität das Ziel der Vernetzung mit anderen Forschenden durch das Bloggen nicht erreicht wird (49 Prozent sagten, das Bloggen helfe dabei nicht, nur 28 Prozent sahen das Ziel durch ihren Blog als erfüllt an). Dafür entdeckten sie andere gute Gründe, zu bloggen. Kaum ein Befragter hatte sich zum Ziel gesetzt, mit dem Blog das Schreiben zu üben, aber über die Hälfte aller Bloggenden gab an, durch den Blog ins Schreiben gekommen zu sein. Und die Bloggenden waren sehr zufrieden mit dem Ziel, mit ihrem Blog ein Thema zu  besetzen: Über die Hälfte der Bloggenden verbuchten hier einen Erfolg. Außerdem sagte mehr als die Hälfte der Bloggenden, dass das Bloggen ihnen dabei hilft, ihre Gedanken zu ordnen. Und fast die Hälfte stimmte der Aussage voll zu, dass der Blog als Dokumentation der eigenen Forschungstätigkeit fungiert. 

Was ich durchs Bloggen gelernt habe

Obwohl Café cum laude kein Wissenschaftsblog im engeren Sinne ist (wir schreiben hier ja schließlich nicht über unsere eigene Forschung) finde ich mich in vielen dieser Wünsche und Erfolge wieder. Für mich ist der größte Erfolg des Bloggens die Tatsache, ein Projekt ins Leben gerufen zu haben und mich in der Selbstdisziplin geübt zu haben, regelmäßig zu publizieren – egal, ob ich gerade Lust dazu hatte oder nicht. Das nimmt gleichzeitig die Angst vor dem Schreiben. Mir fällt es mittlerweile viel leichter, Texte einfach in die Welt zu entlassen, auch wenn mir klar ist, dass sie wahrscheinlich noch Rechtschreibfehler enthalten und mancher Gedanke eher im Ansatz steckt als zu Ende gedacht ist. Das ist ja das Wunderbare am Bloggen: Es ist ein Zwischenschritt, kein fertiger, polierter und glänzender Journalartikel, sondern work in progress – natürlich mit dem Anspruch, nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und formuliert zu sein, aber er darf trotzdem etwas unfertiger sein als ein Druckerzeugnis. Für mich persönlich ist der größte Erfolg aber ein anderer. Unser Wunsch hier im Café cum laude ist es, euch weiterzuhelfen, zu ermutigen und zu inspirieren und gute wie schlechte Erfahrungen zu teilen im Glauben, dass wir aus jeder Erfahrung etwas lernen können. Dass jede Woche wieder so viele von euch hierhin finden und etwas für sich mitnehmen können, erfüllt uns – so kitschig es klingt – mit großer Freude.

Finde dein Format!

Während meiner Promotion habe ich einen Mittelweg gewählt. Ich habe keinen eigenen Blog betrieben, aber ich habe Gastbeiträge auf (US)-Wissenschaftsblogs verfasst. So konnte ich je nach eigener Zeit und aktuellem politischen Aufhänger Beiträge platzieren. Das hat mir tatsächlich sehr weitergeholfen: Auf einen frühen Blogbeitrag (1,5 Jahre nach Beginn der Dissertation, in dem ich erstes Quellenmaterial verarbeitet habe) kamen sehr interessierte Reaktionen in den Kommentaren, die mir gleichzeitig Motivation und Hilfestellung waren, in neue Richtungen weiterzudenken. Ein späterer Blogbeitrag auf einer bekannteren Plattform (da war die Diss schon fertig) hat enorm geholfen, das Thema zu besetzen. Auf einmal sprachen auf Twitter tatsächlich Leute über meinen Beitrag und mein Thema! Daher: Es muss nicht immer unbedingt ein eigener, regelmäßig gepflegter Blog sein. Vielleicht ist ein erster Schritt auch ein Gastbeitrag auf dem Blog einer Kollegin oder ein Post auf einem etwas bekannteren Forschungsblog.

Was fehlt noch in der Blogosphäre?

In der oben erwähnten Umfrage gaben über 70 Prozent aller Bloggenden an, sich mehr Rückmeldungen zu ihren Blogbeiträgen zu wünschen. Gleichzeitig kommentieren fast 90 Prozent aller Bloggenden selbst selten oder nie andere Blogbeiträge. (Das können wir bestätigen! In beiden Richtungen: Hier wird wenig kommentiert, gleichzeitig sind wir selbst darin auch kein großes Vorbild.) Damit bleibt aber ein großes Potential von Wissenschaftsblogs ungenutzt! Ich vermute, das liegt an der Angst, sich so öffentlich sichtbar festzulegen ohne das Netz und den doppelten Boden, die Fußnoten und ein Review-Prozess versprechen (was natürlich nicht bedeutet, dass man beim Bloggen nicht wissenschaftliche Standards einhält!). Vielleicht liegt es auch an unserer guten und richtigen Besorgtheit um den Verbleib unserer eigenen Daten. Ich glaube, wir könnten da aber insgesamt etwas mutiger sein und ruhig mal das Risiko eingehen, falsch zu liegen. Denn das gehört zum Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnis eben auch dazu. (Wer dazu noch mehr Ermutigung braucht: Ich lag in einem Kommentar auf diesen Blogpost ziemlich daneben mit meiner Vermutung, evangelikale Christen in den USA würden keinen Präsidenten wählen, der die Grenze abdichten will…)

Gute Gründe, nicht zu bloggen

Es gibt dennoch einen berechtigten Grund, nicht zu bloggen: Bevor du einen Blog zu deinem Forschungsprojekt anlegst, schau auf jeden Fall in deine Promotionsordnung und sprich mit deiner Betreuerin oder deinem Betreuer darüber, ob das Selbstplagiat ein Problem werden könnte. Das Verwenden von bereits publizierten Daten, die im Laufe deiner Promotion entstanden sind, wird in verschiedenen Disziplinen und an verschiedenen Unis extrem unterschiedlich gehandhabt. Wenn du hier lieber auf der sicheren Seite sein willst, aber trotzdem Lust aufs Bloggen hast – dann wäre ja vielleicht ein Gastpost im Café cum laude etwas für dich!

Also: Legt los und verratet uns: Bloggt ihr selbst? Warum lest ihr gerne (Wissenschafts-)blogs?

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Und wer Lust hat, einen Blog zu eröffnen:

Literaturangabe: König, Mareike. “Strategische Kommunikation: Wie Geisteswissenschaftler*innen bloggen,” Redaktionsblog, 6. Juni 2019: https://redaktionsblog.hypotheses.org/4246.

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