“The Home Edit” für deine Doktorarbeit – Jetzt wird aufgeräumt!

Photo by Paul Hanaoka on Unsplash

Nachdem in den Weihnachtsferien 2018/2019 alle besessen vom Marie Kondo Hype waren, hat jetzt die Aufräumserie „The Home Edit“ auf Netflix einen neuen Organisier-Wahn ausgelöst. Das Konzept ist denkbar einfach: Cleo und Joanna besuchen Stars und normale Familien und räumen ein Zimmer, einen Schrank oder eine Tiefkühltruhe auf.

Kaum hat man eine Sendung gesehen, juckt es in den Fingern, die Chaosschublade in der Küche zu entrümpeln und die Teebeutel in Regenbogenfarben zu sortieren. Einerseits ist die Generalüberholung der Wohnung natürlich eine tolle Prokastinierungsaufgabe für verregnete Sonntage. Andererseits kann man das System, dass Cleo und Joanna vorschlagen, aber auch großartig für die Promotion umgesetzt werden!

(Disclaimer: Dieser Beitrag ist übrigens weder von Netflix noch von The Home Edit gesponsort!)

Wenn man kein gutes System hat, kann die Diss schnell zum Chaos werden: Zitate, Gedankenfetzen, Gliederungsalternativen, Call for Papers und Quellen stapeln sich in ausgedruckter Form, oder – genauso schlimm – türmen sich in unübersichtlichen Ordnerstrukturen auf. Auch das Dokument der Doktorarbeit erinnert schnell eher an die Kramschublade in der Küche, als an einen strukturierten Text mit rotem Faden: das gleiche Argument findet sich mehrfach im Text, das Dokument ist voll mit Einschüben, tonnenweise Kommentare und Passagen in unterschiedlichen Farben.

Wem es so geht, der weiß im tiefsten Inneren des Herzens: es muss dringend aufgeräumt werden! So bekommt man endlich wieder einen Überblick und wird unnötigen Ballast los. Außerdem sitzen die meisten von uns doch lieber in einer aufgeräumten Wohnung – allein der Anblick von Chaos löst manchmal Beklemmungen auch und man hat das Gefühl, sich nicht konzentrieren zu können. Genauso ist es mit dem Diss-Dokument: wenn es ordentlich aufgeräumt ist, hat man direkt viel mehr Lust, täglich daran zu arbeiten.

Die anstehenden Weihnachtsferien können also ein großartiger Anlass sein, um die Diss mit dem „Home Edit“ System aufzuräumen! Das System folgt 3 einfachen Schritten und nutzt drei Tricks, die auch für die Diss großartig funktinieren!

1. Edit – Ausmisten

Bei jeder Aufräumaktion steht als erstes eine Art Inventur an. Was habe ich und was brauche ich davon weiterhin, bzw. was kann weg?

Das Marie-Kondo-System stieß da bei mir schnell an seine Grenzen. Die Frage „Does it spark joy?“, also „Bereitet es dir Freude?“ ist für mich nicht immer ein gutes Kriterium beim Ausmisten. Nein, mein Wäscheständer löst keine Glücksgefühle aus, aber ich brauche ihn trotzdem. Ähnlich wie die Beschreibung der Methode, die jetzt auch nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig ist, aber leider in der Diss nicht einfach rausfliegen darf. The Home Edit ist deutlich pragmatischer: du brauchst es und benutzt es? Dann bekommt es einen Platz, egal ob es jetzt ein hübsches Designobjekt ist, oder nicht!

Der Ausmist-Gedanke liegt bei Cleo und Joanna eher darin, dass dein Platz deinen Inhalt vorgibt. Wer eine kleine Küche hat, muss ab einem gewissen Punkt entscheiden, ob er noch eine 23. lustige Tasse kauft. Wenn es dir Tasse unbedingt sein muss, muss etwas anderes gehen. Was aber nicht geht: Schubladen, die soll vollgestopft sind, dass sie nicht mehr aufgehen oder man darin nichts mehr findet. Dasselbe gilt für die Diss: man neigt dazu, alles, was man liest und herausgefunden hat, noch irgendwie in den Text zu stopfen. Das ist natürlich verständlich, aber ab einem gewissen Punkt macht es den Text unübersichtlich. Deshalb macht es Sinn, sich vorher grob zu überlegen, wie viele Seiten man ungefähr schreiben will, und wie viel Prozent davon auf das aktuelle Kapitel entfallen sollen. Wenn man schon vorher weiß, dass der historische Kontext max. 20 Seiten umfassen soll, neigt man nicht so sehr dazu, sich in Details zu verlieren. Das bedeutet oft auch, dass man Exkurse, weitere Beispiele, anschließende Aspekte beherzt über Bord werfen muss. Auch wenn es schwer fällt, lautet die Devise: Lieber ein kleines, ordentliches Zimmer als eine riesige Halle voll Gerümpel, in der man nichts findet!

2. Categorize – Sortieren

Wenn man sich einmal entschieden hat, was man alles behalten will, folgt die Sortierung. Im Home-Edit-System wird nach Kategorien sortiert. Was man aber in der Serie auf interessante Weise sieht – Kategorien sind nicht immer vorgegeben und man muss ein Stück weit entscheiden, welche Sortierung für die eigenen Zwecke Sinn ergibt. Kommt Zimt neben das Paprikapulver zu den Gewürzen oder neben das Backpulver zum Back-Equipment? Sollte man Leberwurst wie Erdnussbutter zu den Aufstrichen stellen, oder zum Käse in die Abendbrotabteilung? Beides macht Sinn, und was für deine Promotion das Richtige ist, musst du selbst entscheiden! Viele Aspekte passen an mehrere Stellen und die richtige Ordnung zu finden ist oft eine der schwierigsten Aufgaben in der gesamten Promotionszeit! Nicht umsonst gilt es in den Geisteswissenschaften als der große Durchbruch, wenn man endlich seine Gliederung fertig hat. Die Einsortierung darf man also nicht unterschätzen. Diesen Schritt wirst du vermutlich auch mehrmals wiederholen müssen. Manchmal merkt man erst im Alltag, wann man den Zimt häufiger braucht und muss so die Kategorisierung noch einmal überdenken. Genauso verschieben sich mit neuen Ideen und Erkenntnissen die Kapitel und Kategorien häufig noch einmal das ganze System muss überarbeitet werden.

3. Contain – Einsortieren

Der nächste Schritt nach der Kategorisierung im Home Edit: die Organisierinnen besorgen ohne Ende Boxen, Körbe und Kisten. In diese Behälter werden die verschiedenen Dinge anschließend einsortiert. Dabei bekommt jedes, wirklich jedes Objekt einen festen Platz. Auch diese Sortierstruktur kann man hervorragend auf die Diss übertragen: jeder Aspekt sollte ein kleines, fest definiertes Unterkapitel/Absatz/Satz bekommen. Dazu sollte man sich fragen: Welche Elemente gehören in die Einleitung? Welche in den Hauptteil? Häufig neigt man dazu, vermeintlich besonders wichtige Sachen mehrfach in der Arbeit zu verteilen. Natürlich ziehen sich wichtige Aspekte durch die Arbeit und werden immer wieder auftauchen. Trotzdem sollte man als Leserin nicht das Gefühl haben, das Argument sei überall reingesprenkelt worden. Auch wenn bestimmt „Boxen“ mehrfach in der Doktorarbeit auftauchen, sollten sie immer klar umrissen sein.

Labels – die Beschriftungen

Ein wichtiger Aspekt des Sortier-Systems: alle befüllten Kisten und Körbe wurden ordentlich beschriftet, sodass man auf den ersten Blick erkennen kann, was sich darin befindet. Diesen Trick sollte man unbedingt auch in der Diss anwenden! Wichtig dabei ist, für jeden neuen Aspekt auch eine neue Überschrift einzuführen. Es empfiehlt sich dabei, aussagekräftige Titel zu wählen, die innerhalb der Arbeit Sinn machen. In der Küche 20 Kisten mit der Aufschrift „Küchenutensilien“ zu haben, ist zur Orientierung wenig hilfreich. Dann muss man schon etwas präziser sein, z.B. „Backutensilien“ und „Kaffe- und Teezubereitung“. Dementsprechend solltest du nicht drei (Unter)Überschiften haben, die in etwa „Methode“ lauten. So kann die Leserin auf den ersten Blick erkennen, was in diesem (Unter)Kapitel behandelt wird. Achtung: hier gibt es in den Disziplinen unterschiedliche Konventionen! In manchen Fächern sind mehr, in anderen weniger Zwischenüberschriften lieber gesehen!

„The Tour“ – Leserinnen-Führung

Wenn Cleo und Joanna ihren Kundinnen und Kunden am Ende das fertige Resultat zeigen, ist dies ein genauso wichtiger Teil des Prozesses wie das Aufräumen selber. Sie machen einen Rundgang mit den Besitzerinnen, die sogenannte „Tour“. Bei dieser Tour erklären sie die neue Ordnung und Struktur, und erläutern auch, warum sie bestimmt Entscheidungen getroffen haben: z.B. befinden sich gesunde Snacks nun auf Augenhöhe der Kinder.  So können die Familien sofort die Logik des Systems überblicken und in Sekunden erkennen, an welcher Stelle sie was suchen müssen. Im Prinzip betreiben Cleo und Joanna hier nicht anderes als Leserinnen-Führung. Diese Meta-Sätze in der Diss, oft auch „Regieanweisungen“ genannt, erklären den Leserinnen kurz und knapp den Aufbau der Arbeit und führen durch die Diss. Diese Führung ist von ungeheurer Wichtigkeit! Nur so versteh die Leser, welche Aspekte behandelt werden, in welcher Reihenfolge und warum genau diese. Genauso wie das Home Edit Team erklärt „Es gibt jetzt drei Boxen mit Spielzeug“ solltest du erklären „Für dieses Argument bringe ich jetzt drei Beispiele an“.

The Rainbox – Das Farbsystem

Ein wichtiger Bestandteil der Home Edit Struktur ist das Regenbogensystem. Nach diesem System werden Objekte innerhalb einer Kategorie nach Farben sortiert.  Das sieht zugegebenermaßen sehr hübsch aus, ist aber nicht unbedingt immer sinnvoll (z.B. finde ich mein Bücherregal nach Themen oder Autorinnen sortiert deutlich praktikabler). Trotzdem kann man das Regenbogensystem auch auf das Diss-Dokument übertragen.

Wenn man ein sehr visueller Typ es, kann es Sinn machen, mit verschiedenen Farben zu arbeiten, um Textteile zu kennzeichnen. Das können zum Beispiel Markierungen sein, was noch mit dem Text passieren muss, z.B. kann rot bedeuten „Hier muss ich noch etwas recherchieren“, während gelb heißt „Dieser Aspekt könnte vielleicht rausfliegen“. Man kann mit Farben aber auch andere Sachen markieren. Z.B. in grau die eigenen Gedanken und findings unterlegen, die sogenannten „orginal knowledge claims“. Das macht es nachher auf einen Blick einfach, die Erkenntnisse der Arbeit für Vorträge oder das Fazit zusammenzustellen.

Übrigens auch noch wichtig: in der Sendung wird immer maximal ein Zimmer aufgeräumt, manchmal aber auch nur ein Schrank. Wenn man sich direkt das ganze Haus vornimmt, ist diese Aufgabe häufig viel zu groß. Nach ein paar Stunden bricht man entnervt ab und das Chaos ist größer als vorher! Deshalb empfehle ich allen, die jetzt Lust bekommen hat, die eigene Diss im Home-Edit Style aufzuräumen, sich erstmal an ein Kapitel zu machen. Danach kann man sich z.B. mit einer Folge „The Home Edit“ auf Netflix belohnen!

Weihnachtspause und Nachfolger*innen-Suche!

Mit diesem Artikel verabschieden wir uns in die Weihnachtspause! Bis zum 14. Januar 2021 bleibt das Café cum Laude geschlossen und wir tanken nach diesem so seltsamen Jahr Kraft, um auch 2021 wieder aus unserem Promotionsalltag zu erzählen.

Im neuen Jahr wird es vielleicht personelle Neuerungen im Café cum Laude geben. Da Ulrike und Franzi A. nun schon etwas länger mit beiden Beinen im Berufsleben stehen, freuen wir uns über eine neue Generation von Promovenden, die an unserem Blog mitarbeiten möchten!

Eine Mitarbeit kann ganz unterschiedlich aussehen: Hast du Lust, als regelmäßiger Autor oder Autorin bei Café cum laude einzusteigen und über deine Erfahrungen als Promovend zu berichten? Oder würdest du gern einen Gastbeitrag verfassen? Vielleicht wäre es eher dein Ding, unsere Social Media Kanäle zu managen? Oder hast du ein Thema, über das du dir einen Blogeintrag wünschst?

Wenn du Lust hast, Teil das Café cum laude-Teams zu werden, schreib uns mit ein paar Sätzen dazu, wer du bist und warum du Lust aufs Bloggen hast bei cafecumlaudeblog[at]gmail.com. Wir freuen uns, von dir zu hören!

In diesem Sinne – Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!

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