Wissenschaftliches Schreiben muss gelernt sein

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Sind wir mal ehrlich, die Promotionszeit ist ein einziges Auf und Ab. Eine emotionale Achterbahnfahrt – vielleicht für die Eine mit größeren Höhen und Tiefen, für den Anderen wiederum mit nur wenigen Wellenbewegungen. Aber manchmal kann es auch sein, dass man sich fühlt, als sei man nur noch auf Talfahrt und ein Richtungswechsel ist nicht in Sicht. Gerade für diese Situationen ist ja eigentlich eine Promotionsbetreuung da. Der Gedanke liegt nahe, dass der oder die wissenschaftlichen Betreuer*in genau in solchen Momenten unterstützend unter die Arme greifen könnte. Er oder sie könnte neue Ideen vorschlagen, den Knoten im Kopf mit cleveren Fragen lösen helfen oder einen guten Hinweis geben – aber eben meist aus einer dezidiert wissenschaftlichen Perspektive und mit einem spezifischen Blick, der oft auf das Themenfeld der Promotion beschränkt ist. Aber was ist, wenn es gar nicht diese Probleme sind, die einen blockieren? Was ist, wenn es eigentlich um vermeintlich ganz allgemeine Dinge geht? Oder was, wenn ich (noch) gar nicht genau sagen kann, was das Problem eigentlich ist?

Ein schwer zu fassendes Problem

Es erscheint mir in meinem (Promotions-)Umfeld oft der Fall zu sein, dass sich solche unspezifischen Fragen oder auch Blockaden im Arbeitsprozess mit den Betreuungspersonen tatsächlich nicht (so gut) besprechen lassen. Je unkonkreter das eigene Hemmnis erscheint, je weniger spezifisch es sich der Promotion immanent anfühlt, desto schwieriger erscheint es, dass die Betreuung die (richtige) Ansprechperson ist. Und je größer erscheint auch die Hürde, überhaupt von diesem Problem zu berichten. Ich meine genau solche Probleme, die sicherlich die allermeisten Promovierenden mit sich herumtragen, aber die auf den ersten Blick als „zu allgemein“, oder „zu peinlich“ wirken, um sie anzusprechen. Vielleicht weil etwas als vermeintlich gesetzt oder als Norm in der wissenschaftlichen Welt gilt, es aber im eigenen Promotionsprozess als enorme Hürde empfunden wird. Dies können auch Dinge sein, die Promovierende beispielsweise vermeintlich „einfach so“ können oder wissen sollten: Wie das Wissenschaftliche Schreiben.

Mir ist es immer wieder so ergangen, dass mir Schreiben zwar an sich Spaß gemacht hat, mir aber das vermeintlich „richtige“, das Wissenschaftliche Schreiben und insbesondere das Anfangen zu Schreiben sehr schwer gefallen sind – und es auch immer wieder noch tun. So gibt es zwar ganz unterschiedliche Schreibstile und Methoden in der Promotion, die beim Schreiben helfen können. Aber die Frage, ob überhaupt Geschrieben-Werden-Kann wird oft gar nicht (mehr) gestellt. Schließlich haben ja in den meisten Fällen Promovierende bereits Abschlussarbeiten, Exposées oder auch Bewerbungen geschrieben. Das Wissenschaftliche Schreiben gilt als gesetzt. Mehr noch: Es wird vorausgesetzt. Aber heißt das auch, dass es alle können?

Genau deshalb fiel es mir auch besonders schwer, dieses Problem selbst als solches zu erkennen und zu benennen. Denn ich habe doch immer wieder „etwas“ fertig gebracht und habe auch immer weiter an der Promotion gearbeitet, indem ich mich mit anderen wichtigen Aspekten beschäftigt habe. Und so habe ich erst spät gemerkt, dass ich das eigentliche Schreiben vor mir herschiebe, dass ich es meide und dass es mir oft unangenehm ist „meine“ wissenschaftlichen Texte zu teilen. Es wurde schließlich zu einem Hemmnis, um überhaupt an der Promotion weiterzuarbeiten – denn irgendwann will ja ein wissenschaftlicher Artikel oder auch die Monographie endlich geschrieben werden.

Wissenschaftlich schreiben will gelernt sein!

Ich hätte also zu meiner Betreuung gehen und sagen können: „Ich weiß zwar, dass ich was schreiben will und ich weiß auch, dass ich eigentlich was schreiben kann – aber ich kann es irgendwie nicht“ oder „Ich schiebe es vor mir her“ oder „Ich fühle mich unsicher und ich habe immer wieder Sorge vor der Kritik an meinen Texten“ oder „mir ist es peinlich, wenn andere meine ‚schlechten‘ Texte lesen“. So oder so ähnlich hätte ich mich an meine Betreuerin wenden können – habe ich aber nicht.

Warum? Weil ja vermeintlich das Schreiben, das Verfassen wissenschaftlicher Texte, als das grundlegende Instrument von Wissenschaft und insbesondere im wissenschaftlichen Diskurs als basale Fähigkeit der Kommunikation gilt. Es war und ist also für mich irgendwie mit Scham behaftet zu sagen – „puh, mir fällt es sehr schwer wissenschaftliche Sprache zu verfassen und unfertige Texte dann auch noch zu teilen“. Außerdem muss ich ehrlich sagen, dass diese Aussage schon sehr konkret ist – bis ich wusste, dass es meine Angst vor Kritik ist, die das wissenschaftliche Schreiben blockiert hat, habe ich mich lange einfach nur mit einem unguten Gefühl vor dem PC gequält. In dem vermeintlichen Glauben, dass es alle Anderen schon „einfach so“ könnten und nur ich allein das Schreiben einfach nicht auf Anhieb beherrschen würde.

Aber so ist es nicht.

Übung und Training

Auch das Wissenschaftliche Schreiben ist eine Lern- und Übungssache. Es in der jeweiligen Disziplin zu Können, sich den jeweiligen ungeschriebenen Regeln bewusst zu sein und sie auch entsprechend anwenden und umsetzen zu können, sind Aspekte, die sich erst nach und nach entwickeln. Die man lernen muss. Es wird oftmals weder im Studium und noch viel weniger in wissenschaftlichen Kolloquien gelehrt. An manchen Hochschulen gibt es sogenannte Schreibwerkstätten, die dabei unterstützen, das Schreiben zu lernen, die sich jedoch meist an Studierende und an das Verfassen von Hausarbeiten richten. Manchmal gibt es aber auch Schreibkurse extra für Promovierende. Das sind hilfreiche Unterstützungsangebote. Ich selbst habe schließlich an einer Schreibwoche für Promovierende an meiner Hochschule teilgenommen und in diesem Zuge auch ein Schreibcoaching gemacht sowie einen Ratgeber zum Thema Schreiben gelesen.

Was mir schließlich aber ganz besonders geholfen hat, waren der Austausch mit Anderen über diese Setzungen, über die Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie über reale und vermeintliche Ansprüche von wissenschaftlichem Stil. Denn der (eigene) Anspruch genauso wie die großen Köpfe zu schreiben, sich mit den versiertesten Wissenschaftler*innen und vor allem mit ihren publizierten! Texten zu vergleichen, waren alles Hemmnisse, die ich erst als solche erkennen musste, um sie irgendwann überwinden zu können – auch wenn sich die Selbstzweifel immer mal wieder einschleichen können. Letztlich hat sich aber für mich nur Eines als das wirksamste Mittel gegen Schreib-Angst und Schreib-Blockaden herausgestellt: Das Tun und Immer-Wieder-Tun selbst. Denn wie heißt es doch so schön – Übung macht die Schreib-Meisterin.

p.s. Über die gute Erfahrung des gemeinsamen Schreibens in einer Schreibwoche sowie in einem selbstorganisierten Peer-to-Peer Schreib-Urlaub berichte ich gerne in einem weiteren Artikel

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