Rezension: Lesen im Geschichtsstudium

Warum braucht es ein Buch, das das Lesen erklärt?

Am Anfang meines Studiums war ich in vielfacher Hinsicht überfordert: Ich fühlte mich allein gelassen mit der Wahl meiner Seminare, war eingeschüchtert von der Intelligenz und Bildung meiner Kommilitonen und fragte mich, wie um alles in der Welt ich mehrere hundert Seiten pro Woche lesen sollte und dann auch noch die Inhalte im Seminar parat haben und diskutieren sollte. Meine Texte – wenn ich sie denn las – sahen nach dem Lesen wie ein Meer aus Gelb aus, weil mir einfach alles wichtig, neu, und daher markierenswürdig erschien. Schwierig, da noch den Überblick zu behalten – und was ist eigentlich ein Exzerpt?!

Wer im Rahmen seiner (geisteswissenschaftlichen) Promotion Studierende in den ersten Semestern unterrichtet, hat oft vergessen, was uns bis dahin selbstverständlich geworden ist: Wissenschaftliches Lesen ist eine Haltung, eine erworbene Fähigkeit, die viele Studierende noch nicht mitbringen (können) – und gleichzeitig die zentrale Fähigkeit, von deren Beherrschung letztendlich der Erfolg im Studium abhängt. Das gilt in der Geschichte ebenso wie in anderen geisteswissenschaftlichen Disziplinen (und natürlich auch in den Naturwissenschaften, für die aber noch einmal eigene Regeln gelten). Umso erstaunlicher, dass es für die Geschichtswissenschaft bislang kein Einführungswerk ins historische Lesen gab. Diese Lücke füllen Jana Weiß und Sarah Thieme* mit ihrem Büchlein „Lesen im Geschichtsstudium“, erschienen letztes Jahr als utb-Band im Verlag Barbara Budrich. Sie räumen eine Reihe von Missverständnissen rund um das historische (und geisteswissenschaftliche) Lesen aus dem Weg und geben praktische Tipps, wie Studierende sich Texten nähern können, wie sie entscheiden, welche Texte sie lesen wollen und welche nicht und wie sie diese Texte dann eben wissenschaftlich lesen – also mit Blick auf These und Argumentationsgang. Übrigens ist das Buch, trotz des Titels, nicht nur als Einführung in die Geschichtswissenschaften relevant: Auch in den meisten anderen geisteswissenschaftlichen Disziplinen gelten die Regeln, in welche Weiß und Thieme in diesem Buch die einführen.

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Der erste Job nach der Doktorarbeit

Ulrike am Schreibtisch
Bei der Arbeit…

Während der Promotion war die Zukunft für mich ein großes, schwarzes Loch, an das ich am liebsten gar nicht gedacht habe. Als Geisteswissenschaftlerin ist man ja die schlechten Taxifahrerwitze gewohnt (was sagt ein Historiker zum anderen? Einmal Pommes rot-weiß, bitte!) und hat sie, zu einem gewissen Grad, auch internalisiert. Niemand wäre also erstaunter als mein Ich vor sagen wir, zwei Jahren oder sogar acht Monaten wenn sie wüsste: Es ist alles gut gegangen. Ich stehe in Lohn und Brot und habe sogar einen Job, der mir Spaß macht – und für den mir die Diss etwas gebracht hat. 

Weil dieser Blog so viel von meinen Erfahrungen als Promovendin dokumentiert hat, hielt ich es für angemessen, auch den Übergang in den Berufsalltag festzuhalten: Der Weg dahin, welche Erfahrungen aus der Promotionszeit mir im Job weiterhelfen und was ganz anders ist als vorher. Falls du also Geisteswissenschaftlerin bist und an deinen Jobchancen verzweifelst, lass dir gesagt sein: Wahrscheinlich wird alles gut. Es wird möglicherweise eine Weile dauern (wenn du etwas Geld übrig hast von deinem Einkommen, dann spare schon mal!). Nutz die Zeit um dir Skills zuzulegen. Aber verliere nicht die Hoffnung. Es ist möglich!

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Frohe Weihnachten & ein paar Links

Von Paola Chaaya bei Unsplash.

Merkt ihr es auch am Arbeitspensum? Die Feiertage nahen und auch der Jahreswechsel steht kurz bevor. Hier im Café cum laude blicken wir dankbar auf die letzten 12 Monate zurück. Besonders glücklich sind wir, dass seit August Franziska E. unser Team und den Blog verstärkt – wie schön, dass wir um eine Stimme reicher geworden sind. Und:

Dieses Jahr sind wir zwei Jahre alt geworden! Aber das ist nicht der einzige Meilenstein: Franziska A. hat ihre Dissertation abgegeben, beide Franziskas haben geheiratet und Ulrike hat ihren ersten Post-Doktorandenleben-Job angetreten.

Vor allem aber sind wir froh und stolz, dass so viele von euch immer wieder den Weg hierhin finden und etwas Brauchbares oder Inspirierendes für den langen Promotionsweg mitnehmen können. Danke dafür!

Wir melden uns im Januar wieder. Und falls es euch an Prokrastination Inspiration mangelt, haben wir einige lesenswerte Artikel für euch zusammen gestellt:

Best of Zeit Campus: Sie werben mit Inklusion, aber einen Blinden wollen sie nicht. Warum die inklusive Hochschule eine Illusion ist.

Noch mehr Zeit Campus: Jutta Allmendinger und Martin Mann stellen fünf Forderungen auf, junge Forscherinnen und Forscher besser zu behandeln.

Für viele noch weit weg, aber irgendwann ist es soweit: Wo und wie die Diss publizieren? Sarah-Mai Dang hat eine sehr hilfreiche Übersicht über die verschiedenen Optionen (Verlage, Repositorien, Open Access) erstellt.

Warum wir die innere Feministin hinaus lassen sollten. Don’t swallow your pride – swallow other people’s expectations.

Wer Inspiration sucht: Eine extreme gelungene Vorstellung eines Dissertationsprojekts.

Achtsamkeit in der Promotionsphase: Eine Anleitung mit praktischen Übungen.

Warum “Ausstieg” nicht das richtige Wort für alternative Karrieren nach der Promotion ist.

Done-Listen statt To-Do-Listen.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr 2020 von uns!

Während der Promotion bloggen: Soll ich? Soll ich nicht?

Photo by Tim Gouw on Unsplash

Im November wird Café cum laude zwei Jahre alt und ich glaube, ich habe wenig erreicht in den letzten Jahren auf das ich so stolz bin wie die Tatsache, dass wir diesen Blog ins Leben gerufen und in guten wie in schlechten Zeiten gehegt und gepflegt haben. Ich habe beim Bloggen unglaublich viel gelernt (dazu unten mehr) und habe über den Blog auch den Einstieg ins außeruniversitäre Berufsleben geschafft (auch dazu unten mehr). 

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Wie veröffentliche ich meine Dissertation in den USA?

Ich habe zu einem Thema in der amerikanischen Geschichte promoviert, das bei den meisten Deutschen eher Kopfkratzen auslöst (Amerikaner finden es hingegen meistens sehr interessant). Schon relativ zu Beginn meiner Promotion war mir daher klar, dass ich versuchen wollte, das Buch auf dem amerikanischen Markt zu veröffentlichen. Mein innerer Nerd fand die Aussicht, eines Tages ein “richtiges” Buch mit meinem Namen drauf im Schrank stehen zu haben, extrem motivierend (deutsche wissenschaftliche Bücher sehen meiner subjektiven Meinung nach häufig todlangweilig aus und zählen daher nicht als “richtige” Bücher).

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Wie du von der VG Wort Geld für deine Veröffentlichungen bekommst

So vie Geld wird es vermutlich nicht regnen… aber ein Restaurant-Besuch ist schon drin! Foto von Chiara Daneluzzi auf Unsplash

Wer in den letzten Jahren YouTube genutzt hat und ein bisschen die öffentliche Diskussion mitverfolgt hat, der kennt die GEMA: Die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs-und mechanische Vervielfältigungsrechte) verwaltet die Rechte von Musikschaffenden. Wenn zum Beispiel dein Männerchor eine Soulversion von Revolverhelds „Ich lass für dich das Licht an“ aufführen will, muss er dafür die Rechte bei der GEMA erwerben. Die GEMA wiederum sorgt dafür, dass Revolverheld an den Einnahmen, die euer Konzert generiert, beteiligt wird. 

Was ist die VG Wort und warum kriege ich Geld von denen?

Was die GEMA für Musikschaffende ist, ist die VG Wort für alle Leute, die Texte veröffentlichen. Die Verwertungsgesellschaft Wort ist ein Verein, der Autoren und Verlage an den Einnahmen beteiligt, die durch die Nutzung ihrer Werke entstehen. Autorinnen und Autoren, Blogger, Journalisten und Wissenschaftler erhalten für Texte, Bücher, Ton- und Filmwerke, die sie veröffentlichen, Geld von der VG Wort. Das funktioniert, indem zum Beispiel über Kopiergeräte eine Abgabe an die VG Wort errichtet wird. Tatsächlich ist die Kopiergerätevergütung die größte Einnahmequelle für die VG Wort: 2018 nahm die VG Wort rund 139 Millionen Euro (von 217 Millionen Euro) über Kopiergeräteabgaben ein. Andere Einnahmequellen sind zum Beispiel Bibliothekstantieme, Abgaben von Schulbuchverlagen für die Nutzung von Texten in ihren Schulbüchern, Videovermietung oder Fotokopien in Schulen (eine genaue Aufschlüsselung findet ihr im Geschäftsbericht 2018 auf Seite 4).

Dieses Geld sammelt und verwaltet die VG Wort und schüttet einmal im Jahr nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel (aber nur nach vorheriger Anmeldung der Beiträge durch die Autorinnen) Geld an die Urheber der Texte aus.

Das ist für Nachwuchswissenschaftler besonders interessant, da unsere Veröffentlichungen ja normalerweise kein Geld für uns generieren. Artikel für Journals werden in der Regel nicht vergütet und auch für einen Beitrag in einem Sammelband bekommst du vielleicht Ruhm und Ehre, aber kein Geld. Das kann die VG Wort zumindest anteilig auffangen.

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[Nervennahrung:] Richtig, richtig gute Chocolate Chip Cookies

Photo by Food Photographer | Jennifer Pallian on Unsplash (eigene, weniger schöne Fotos unten!)

Fröhlichen Feiertag von uns!

Wir präsentieren euch ja einiges an gesunden, zuckerfreien Rezepten in unseren Nervennahrung-Posts. Das liegt nicht daran, dass wir keinen Zucker mögen, sondern eher daran, dass wir zu den Leuten gehören, deren Höhepunkt des Tages die Schokolade am Nachmittag ist. (Traurig, I know. Aber wenn man Tony’s Chocolonely in der Schublade liegen hat, geht es nicht anders.) Und deshalb bemühen wir uns, unseren Süßigkeitenkonsum, sagen wir, nachhaltig zu gestalten.

Aber es gibt so Tage, da tut es ein Frühstückskeks einfach nicht. Da hilft nur echter, böser, weißer Industriezucker. Viel davon. Da sich solche Tage in letzter Zeit bei mir gehäuft haben (ich gebe dem Wetter die Schuld), musste ich neulich mal wieder Chocolate Chip Cookies backen. Richtig süße, richtig schokoladige.

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Welche Professuren gibt es in Deutschland?

Foto: Andre Hunter auf Unsplash

Ein Überblick über den Titeldschungel

Bist du auch schon über die Bezeichnung „Emmy-Noether-Professorin“ gestolpert und hast dich gefragt, warum sich diese Frau  nicht einfach Prof. Emmy Noether nennt? Was bitte ist eine Lichtenberg-Professur? Und was sagt das „W“ vor der Professur aus? Die deutsche Hochschullandschaft ist reichlich unübersichtlich.

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Was ist der College Admissions Scandal?


Habt ihr es schon mitbekommen? Der Betrugsskandal um amerikanische Elite-Unis kriegt seine eigene Fernsehserie! Den meisten deutschen Medien war der Skandal eine Notiz in der Leute-Spalte wert. Immerhin ist unter anderem die Desparate Houswives-Schauspielerin Felicity Huffman angeklagt. Huffman habe, so der Vorwurf, ihrer ältesten Tochter durch die Zahlung von 15.000 US-Dollar zu einem besseren Ergebnis beim Aufnahmetest für amerikanische Colleges (den SATs) verholfen. Huffman ist nur eine von insgesamt fünfzig Angeklagten, die insgesamt mehrere Millionen Dollar Bestechungsgeldergezahlt haben sollen, um Testergebnisse zu manipulieren und Sporttrainer zu bestechen, um ein gutes Wort für die Bewerber einzulegen. 

Was hat es mit dem College Admissions Scandal auf sich? 

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Warum eine Dissertation schreiben genauso ist wie eine Hochzeit zu planen

Durchschnittlich sind Frauen bei ihrer (Erst)heirat 31,7 Jahre alt, Männer 34,2 Jahre. Zum Abschluss ihrer Promotion waren die Deutschen im Jahr 2013 im Schnitt 33 Jahre alt . Das heißt, dass die verheirateten Promovendinnen dies mit einiger Wahrscheinlichkeit im Laufe ihrer Promotion geheiratet haben, die Männer statistisch gesehen danach. Zufälligerweise falle ich in dieses demographische Element: Ich habe, während ich an meiner Dissertation gearbeitet habe, eine ganze Weile damit verbracht, meine Hochzeit zu planen. Das war nicht nur eine willkommene Ablenkung – ich bin der Meinung, dass das Projekt Diss und das Projekt Hochzeit tatsächlich viele Gemeinsamkeiten aufweisen! Und dass ich durchaus einiges bei der Hochzeitsplanung gelernt habe, das ich auch auf mein Diss-Projekt anwenden konnte. Nur eine Ausrede, um mein Gewissen zu erleichtern? Vielleicht. Aber urteilt selbst:

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